Julia Extra Band 362
die sie bewunderte, war ihm schmerzhaft vertraut. Dies war der Ort, an dem sich all jene Ereignisse abgespielt hatten, die seinem Leben eine derart dramatische Wendung gegeben hatten.
Zara spürte, wie sie rot wurde. Ja, sie redete eine ganze Menge, und es handelte sich nicht unbedingt um sonderlich geistreiche Dinge. Vielleicht fand er sie langweilig.
„Entschuldigen Sie bitte, das war unhöflich“, sagte Vitale leise, bog von der Straße ab und durchfuhr einen Steinbogen, der mit einer antiken griechischen Urne geschmückt war. „Ich hatte einen stressigen Morgen, aber das ist keine Entschuldigung für meine schlechte Laune. Ich finde es sehr entspannend, mit Ihnen zusammen zu sein.“
Zara war von seiner plötzlichen Kehrtwende nicht überzeugt. Nachdem sie geparkt hatten, stieg sie rasch aus und erklärte ziemlich steif: „Wenn ohnehin nur Personal hier ist, können Sie mich auch eine Stunde allein im Garten lassen. Sie müssen mich nicht begleiten …“
„Aber ich will mit Ihnen zusammen sein!“, beteuerte Vitale über die Motorhaube hinweg. Er nahm die dunkle Sonnenbrille ab und schenkte ihr einen eindringlichen Blick aus seinen goldbraunen Augen. „Was glauben Sie, warum ich diesen Ausflug arrangiert habe? Nur, um Ihnen einen Gefallen zu tun.“
Da Zara sich nicht vorstellen konnte, warum er lügen sollte, fiel ein Teil der Anspannung von ihr ab. „Ich kann nicht besonders gut mit launischen Männern umgehen“, gestand sie. „In ihrer Gegenwart fühle ich mich unwohl.“
„Ich bin nicht launisch.“
Da war sie sich nicht so sicher. Er mochte zwar normalerweise keinen großen Launen unterworfen sein, aber er wirkte wie ein sehr getriebener Mensch. Vermutlich konnte er sehr stur, unnachgiebig und entschlossen sein, auch wenn sie keine Ahnung hatte, woher sie diese Vermutung nahm, denn schließlich hatte sie ihn erst am Vortag kennengelernt. Dennoch war sie sich mit ihrer Einschätzung sicher.
Vitale hob den Picknickkorb aus dem Kofferraum, den Giuseppina gepackt hatte, und warf Zara eine karierte Decke zu. Dann streckte er ihr seine freie Hand entgegen. „Kommen Sie, wir suchen uns ein Plätzchen, an dem wir essen können …“
„Der Obstgarten“, schlug sie sofort vor, denn sie erinnerte sich ganz genau an jedes Detail des Gartens, den sie so oft studiert hatte.
Gemächlich schlenderten sie über die Kieswege. Auch heute noch, so viele Jahre nachdem der Garten angelegt worden war, war Ediths Talent als Landschaftsgestalterin klar erkennbar. „Der Garten ist neu bepflanzt worden“, registrierte Zara gleichermaßen überrascht und erfreut. Sie hatte damit gerechnet, wuchernde Büsche und Bäume zu sehen, die Vision ihrer Tante durch jahrelangen Wildwuchs zerstört.
„Vor achtzehn Monaten“, versetzte Vitale knapp. Er klang ein wenig zerstreut. Als er Zara vor einer großen Eibe stehen sah, erinnerte er sich an seine Schwester, wie sie in einem scharlachroten Seidenkleid für einen Modefotografen denselben Weg entlanggetanzt war. „Eine Zeit lang waren Haus und Garten der Öffentlichkeit zugänglich.“
„Aber jetzt nicht mehr“, folgerte sie.
„Der Besitzer schätzt seine Ungestörtheit.“
„Es ist beinahe selbstsüchtig, etwas so Schönes zu besitzen und nicht mit anderen zu teilen“, versetzte Zara leicht tadelnd. Ihr Blick wanderte ruhelos umher, denn es gab einfach so viel zu sehen.
Amüsiert beobachtete Vitale, wie sie auf eine Steinbank kletterte, um besser über die Heckenreihe schauen zu können. „Der Tempel auf dem Hügel oberhalb des Sees bietet den besten Blick“, bemerkte er.
Sie runzelte die Stirn. „Im Originalentwurf gab es keinen Tempel.“
„Vielleicht hatte der Besitzer das Gefühl, er könnte ein kleines Detail hinzufügen, ohne die Symmetrie des Ganzen zu zerstören“, entgegnete er trocken.
Zara wurde rot. „Natürlich. Ich finde es wundervoll, dass er den Garten genug schätzt, um ihn auch für zukünftige Generationen zu erhalten.“
Ihre Schlagfertigkeit erheiterte ihn. Belustigt schaute er zu, wie sie von der Bank stieg und ungeduldig vorauslief – eine zierliche Gestalt mit silberblondem Haar, in dem sich die Sonne fing. Anhand der Fotos hatte er angenommen, dass sie ihr Haar färbte, doch es schien von Natur aus diese seltene Farbe zu haben. Sie harmonierte perfekt mit ihrer nordischen Haut und den ungewöhnlichen Augen. Um die Frage mit letzter Sicherheit zu beantworten, müsste er ihr jedoch die Kleider abstreifen – ein
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