Julia Extra Band 362
wollte.
Während sie zurückfuhren, starrte sie gedankenverloren aus dem Fenster. Wein, Hitze und Leidenschaft waren ihr zu Kopf gestiegen.
„Du bist so still“, murmelte er.
„Ich dachte, das gefällt dir.“
Er griff nach ihrer Hand und drückte sie kurz. „Nein. Ich vermisse die Plauderei, il mio angelo .“
In diesem verrückten Augenblick dachte Zara, dass Verlobungen gelöst und Hochzeiten abgesagt werden konnten. Diese Aussicht dämpfte ein wenig die Schuldgefühle, die sie plagten. Es war nie ihre Absicht gewesen, einen der beiden Männer zu täuschen, aber jetzt war es zu spät, um Vitale die Wahrheit zu sagen – dass sie heiraten wollte. Unruhig rutschte sie auf ihrem Sitz herum. Eine ehrliche, anständige Frau hätte viel früher den Mund aufgemacht – ganz sicher vor dem ersten Kuss. Sie konnte den Gedanken nicht ertragen, dass Vitale schlecht von ihr denken könnte, weshalb sie ihr Geheimnis lieber für sich behielt.
In seinem Haus angekommen, marschierte sie in die Eingangshalle und bemerkte: „Ich habe Ediths Garten nicht mal richtig erkundet.“
„Irgendwann bringe ich dich noch einmal dorthin“, versprach Vitale.
„Aber ich reise doch morgen ab“, erinnerte sie ihn.
Sein Blick ruhte auf ihrem bekümmerten Gesicht. Er hob eine Hand und strich unerwartet sanft über ihre Wange. „Löse dein Haar“, raunte er.
Sofort fing ihr Herz wieder an, wild zu pochen. „Warum?“, fragte sie kühn.
„Ich liebe dein Haar … seine Farbe … seine Weichheit“, gestand er heiser.
Benommen hob Zara die Hand und öffnete die Spange. Vitale brauchte keine weitere Einladung. Er hob sie auf die Arme und trug sie die Stufen hinauf.
4. KAPITEL
Ehe Zara sich versah, fand sie sich auf einem Bett in einem unbekannten Zimmer wieder.
Es handelte sich um eine größere und maskulinere Variante ihres eigenen Schlafzimmers. Als sie sich das letzte Mal allein mit einem Mann in einem Schlafzimmer aufgehalten hatte, war Zara unglücklicherweise halbnackt mit Handschellen an ein Metallbett gefesselt gewesen. Die Erinnerung ließ sie für einen Moment erstarren. Sie wurde blass.
„Was ist los?“, fragte Vitale, dem ihre Anspannung und Blässe nicht entgangen waren.
Oh, warum muss er nur so furchtbar aufmerksam sein, dachte sie bekümmert. Vitale ist kein Erpresser, rief sie sich in Erinnerung. Er würde auch nicht urplötzlich eine Kamera zücken … zumindest hoffte sie das. Er war ein wohlhabender, erfolgreicher Mann, der es nicht nötig hatte, mit unlauteren Mitteln an Geld zu gelangen.
„Es ist alles in Ordnung … es hat nichts mit dir zu tun“, erwiderte sie verlegen. „Ich habe nur vor einiger Zeit eine sehr schlechte Erfahrung gemacht …“
Vitale breitete die Hände aus. „Wenn du es dir anders überlegt hast, dann habe ich dafür Verständnis.“
Seine Worte rührten sie so, dass Tränen in ihre Augen traten. Die verständnisvolle Geste konnte ihm nicht leicht gefallen sein. Im Gegensatz zu anderen Männern setzte er nicht seine eigenen Bedürfnisse an erste Stelle, sondern sorgte sich um ihre Gefühle, und das bedeutete ihr eine Menge.
„Ich bleibe“, erklärte Zara trotzig und verdrängte ihre Nervosität. Also gut, sie war zweiundzwanzig und Jungfrau, aber das würde sie ihm keinesfalls auf die Nase binden. Irgendwo hatte sie mal gelesen, dass Männer den Unterschied sowieso nicht bemerkten. Er würde das Ausmaß ihrer Unwissenheit nie erraten, wenn sie ihre Unsicherheit nicht allzu offen zeigte.
Vitale wollte ihr sagen, dass sie es nicht bereuen würde, mit ihm zu schlafen, aber er war kein Lügner und wusste ganz genau, dass sie es tun würde. Andererseits: Was war schon ein weiterer One-Night-Stand für eine Frau mit ihrer Erfahrung? Dummerweise war nichts so glasklar wie gedacht. So sehr es ihn selbst überraschte, sein schlechtes Gewissen kämpfte mit seiner sonst so felsenfesten Entschlossenheit. Seit wann hegte er wegen seiner Rachepläne plötzlich Schuldgefühle?
Auch wenn ihm die Tatsache nicht besonders gefiel, so begehrte er Monty Blakes Tochter mehr, als er sich jemals hätte träumen lassen. Nicht einmal das Wissen, dass sie mit einem anderen Mann verlobt und eine herzlose kleine Betrügerin war, konnte sein Verlangen dämpfen. Aber spielte es überhaupt eine Rolle, was er fühlte? War nicht das einzig Entscheidende seine Rache für den erbärmlichen Tod seiner Schwester, die einem widerlichen Feigling zum Opfer gefallen war? Und die Frau auf seinem Bett war
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