Julia Extra Band 362
repariert ist und ich eine neue Matratze kaufen kann, schlafe ich auf meinem Wohnzimmersofa.“
„Du hättest nicht in der Schwimmstaffel sein sollen.“
Jetzt sah sie doch auf. „Wie meinst du das?“
„Bei den Läufern wärst du besser aufgehoben gewesen, denn im Weglaufen bist du Meisterin.“
Sie schnitt eine Grimasse und widmete sich wieder der Arbeit. „Ich bin lediglich realistisch. Wir leben nicht zusammen, Riley. Ich wohne in meinem Haus in Dorchester. Und ich werde nichts mit dir anfangen. Deine Frauensammlung ist auch so schon groß genug.“
„Glaubst du, ich hätte dich gestern geküsst, um meine Sammlung zu erweitern?“
Stace richtete sich auf und stützte eine Hand in die Hüfte. „Willst du etwa das Gegenteil behaupten?“
Lieber nicht, dann hätte er sich nämlich eingestehen müssen, dass er flüchtig sogar an eine feste Beziehung gedacht hatte. Seine Großeltern waren glücklich verheiratet gewesen. Finn hatte Ellie gefunden. Warum sollte er nicht mit Stace glücklich werden? Dagegen sprach seine Erfahrung aus frühester Kindheit: Wenn man wirklich jemanden brauchte, war keiner da. Daher wich er der Frage lieber mit einem lockeren Spruch aus. „Worte, die mit L oder E beginnen und für feste Beziehungen stehen, kommen in meinem Wortschatz nun mal nicht vor.“
Sie versuchte, ihre Enttäuschung zu verbergen. „Das glaube ich dir aufs Wort.“
Merkwürdigerweise schmerzte es ihn, dass sie so eine schlechte Meinung von ihm hatte. Da er dieses Thema jedoch nicht vertiefen wollte, lenkte er sich und Stace mit der Frage ab: „Hattest du inzwischen Gelegenheit, mit dem Direktor von Jeremys Schule zu sprechen?“
Frustriert ließ Stace sich auf einem Stuhl nieder. „Ja, aber sie weigern sich, ihn wieder aufzunehmen. Und die andere Schule in unserem Einzugsbereich hat den schlechtesten Ruf im ganzen Bundesstaat. Aber Jeremy kann doch nicht den ganzen Tag zu Hause herumhängen! Momentan bin ich wirklich ziemlich ratlos.“
„Hast du schon mal daran gedacht, ihn auf die Wilmont Akademie zu schicken?“
„Die Privatschule? Kann ich mir nicht leisten.“ Betrübt ließ sie den Kopf hängen.
Tröstend umfasste Riley Staces Schultern. Bei der kurzen Berührung wurde ihm heiß. Schnell zog er die Hände wieder zurück. Er musste akzeptieren, dass Stace nichts von ihm wollte. Aber wenigstens die Sorge um Jeremy durfte er ihr doch abnehmen, oder?
„Die Schule wäre perfekt für ihn. Ich habe sie auch besucht. Damals war ich genau wie Jeremy: kreativ und etwas zornig.“
Stace lachte. „Ein zorniger junger Mann – das passt zu dir.“
Riley überhörte die Bemerkung geflissentlich. „Ich habe mir Jeremys Zeichnungen angesehen. Er hat wirklich Talent. Und Talent wird an der Wilmont Akademie gefördert. Vielleicht würde Jeremy ein Stipendium erhalten.“
„Ich glaube nicht an Wunder.“
„Sie geschehen aber immer wieder.“ Riley griff nach dem Wischlappen und säuberte den letzten Tisch. „Denk an meine Worte!“
Die letzten Mittagsgäste hatten gerade zufrieden das Lokal verlassen, als die Glocke über der Eingangstür einen späten Gast ankündigte: Eine würdevolle ältere Dame betrat das Morning Glory – groß, gertenschlank, eleganter Kurzhaarschnitt. Sie trug einen langen Schottenrock, dazu passende Halbschuhe und ein hellbeigefarbenes Twinset und wirkte gediegen und distinguiert.
Beflissen eilte Stace mit der Speisekarte herbei. „Willkommen im Morning Glory, gnädige Frau. Ein Tisch für eine Person?“
„Für zwei Personen.“ Sie lächelte und blickte an Stace vorbei. „Ich glaube, jemand wird darauf bestehen, einbezogen zu werden. Dann also für drei Personen.“
Riley drängte sich zwischen sie und gab der alten Dame einen Kuss auf die Wange. „Hallo, Gran! Es wäre doch nicht nötig gewesen, extra herzukommen.“
„Ich bin durchaus rüstig genug, das Haus zu verlassen und die Stadt unsicher zu machen, Riley“, erklärte sie würdevoll.
Er lachte amüsiert und schob Stace vor. „Das ist Stace Kettering, die beste Kellnerin in ganz Boston. Ich möchte dir meine Großmutter vorstellen, Stace: Mary McKenna. Der Küchenchef heißt Frank und kann selbst mit verbundenen Augen die besten Burger der Stadt braten.“
Mary schüttelte Stace die Hand mit erfreulich festem Händedruck. „Freut mich sehr, Sie kennenzulernen, meine Liebe.“
„Ganz meinerseits, Mrs McKenna.“ Die Familienähnlichkeit war unverkennbar. Großmutter und Enkel hatten die gleichen
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