Julia Extra Band 365
leichte Wölbung ihres Bauchs unter dem Overall, den sie trug.
Sie erwartete sein Kind, doch obwohl sie harte, niedere Arbeiten verrichten musste, um zu überleben, hatte sie den Scheck, den er ihr im Hotel hinterlassen hatte, immer noch nicht eingelöst. Wochenlang hatte er darauf gewartet, dass sie es tat, doch es war nicht geschehen – genauso wenig war ihre Bettgeschichte in den Medien aufgetaucht. Als ihm endlich dämmerte, dass sich seine niederen Erwartungen nicht erfüllen würden, erkannte er, dass dies Tawnys Art von Rache war. Damit signalisierte sie ihm deutlich, dass er sie falsch eingeschätzt hatte und sie rein gar nichts von ihm brauchte. Navarre verstand ihre provozierende Botschaft nur zu gut, auch wenn sie die erste Frau war, die auf derart aggressive Weise mit ihm kommunizierte.
Noch dazu hatte er einen Anruf von ihrer herrischen Schwester Bee bekommen, die meinte, ihm mitteilen zu müssen, wie er mit ihrer heißblütigen Halbschwester besser nicht umging. Der Anruf von Bee Demonides war völlig unerwartet kurz nach seiner Landung in London eingegangen. Tawny, war ihm jetzt klar, hatte Geheimnisse gehütet, mit denen er nie gerechnet hätte – Geheimnisse, die ihm geholfen hätten, sie besser zu verstehen. Ihre Schwester war mit einem der reichsten Männer der Welt verheiratet, und wie er aus den Recherchen erfahren hatte, die Jacques auf seine Bitte hin angestellt hatte, war ihre andere Halbschwester Zara mit einem ähnlich wohlhabenden italienischen Bankier verheiratet. Wie wahrscheinlich war es also, dass Tawny jemals vorgehabt hatte, seinen Laptop zu stehlen, um sich persönlich zu bereichern? Andererseits verstand er nicht, warum sie so niedere Arbeiten verrichten musste, wenn sie reiche Verwandte hatte, die ihr sicherlich dabei helfen konnten, einen besseren Job zu finden!
Tawny räumte gerade die Spülmaschine in der Küche ein, als ihr Chef auf sie zukam. „Da wartet ein Mann auf dich an dem Tisch in der hinteren Ecke … Er sagt, er sei ein Freund und müsse dir leider von familiären Problemen berichten. Ich habe ihm gesagt, dass du heute früher gehen kannst – heute Abend ist ja nicht viel los. Ich hoffe, dass es nichts Ernstes ist.“
Tawnys erster Gedanke war, dass ihrer Mutter etwas Schreckliches zugestoßen und ihr Freund Rob gekommen war, um es ihr mitzuteilen. Ängstlich griff sie nach ihrem Mantel und ihrer Tasche und eilte zurück ins Restaurant, nur um dort wie angewurzelt stehen zu bleiben, als sie Navarre an dem Tisch in der Ecke sitzen sah.
Er legte den Kopf zurück und blickte sie mit seinen jadegrünen Augen an. Wie von selbst setzten sich ihre Beine in Bewegung.
„Lass uns von hier verschwinden“, drängte Navarre, der aufgestanden und ihr auf halbem Weg entgegengekommen war.
Tawny konnte immer noch nicht so recht fassen, dass er plötzlich vor ihr stand. Benommen ließ sie sich von ihm nach draußen führen, wo eine Limousine bereits auf sie wartete. Ihre Hand zitterte in seiner, denn die drei Monate des Getrenntseins hatten sich wie eine Ewigkeit angefühlt – sie hätte eine Vorwarnung gebrauchen können.
„Ich habe nicht mit dir gerechnet …“
„Du dachtest also, du könntest eine solche Bombe per SMS platzen lassen, und ich würde einfach weitermachen wie bisher?“, entgegnete Navarre zornig. „Nicht mal ich bin derart unsensibel.“
Tawny errötete. „Du hast mich überrumpelt.“
„Genauso wie du mich, ma petite .“
„So petite bin ich nicht mehr“, versetzte sie.
„Das habe ich bemerkt“, erwiderte er und senkte seinen Blick kurz auf ihren Bauch, der sich im Sitzen jetzt deutlich abzeichnete. „Ich stehe immer noch unter Schock.“
„Ich auch – und das noch nach drei Monaten.“
„Warum hast du mir nicht gesagt, dass du schwanger bist?“
„Ich habe einen Test gemacht, und der war negativ. Ich glaube, ich habe ihn zu früh gemacht. Als ich mich ein paar Wochen später nicht wohlfühlte, habe ich einen neuen Test gekauft, und der war positiv. Ich wusste nicht, wie ich dir sagen sollte, dass ich mich getäuscht hatte …“
„Also hast du stattdessen den leichten Weg gewählt und mir einfach gar nichts gesagt.“
Sein Sarkasmus war wie ein Schlag ins Gesicht. „Nun, wenn ich ehrlich sein soll, dann war nichts leicht an dem, was ich in den vergangenen Wochen durchgemacht habe, Navarre!“, schoss Tawny wütend zurück. „Ich musste ganz allein mit all den Sorgen und Ängsten klarkommen! Ich musste jeden Tag arbeiten,
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