Julia Extra Band 366
„Abenteuer“ zu erzählen, wie sie die Veranstaltung hartnäckig nannte. Deshalb hatte sich Sophie so lange an der Theke aufgehalten. Zumindest war das der ursprüngliche Grund. Aber es war Stunden her, dass sie „Warte nicht auf mich“ gesimst hatte – sich vollkommen bewusst, dass sie das Verhör damit nur hinausschob. Und trotzdem saß sie noch immer hier.
In den vergangenen Monaten war sie nicht mutig genug gewesen, zurückzublicken. An diesem Abend hatte sie die Erinnerungen jedoch zum ersten Mal zugelassen, anstatt sie zu verdrängen.
Sydney.
Rick.
Ricks neue Freundin.
Ricks schwangere Freundin.
In Gedanken versunken, hatte Sophie nicht bemerkt, wie die anderen Gäste gegangen waren. Und was wirklich ungewöhnlich war: Sie hatte nicht bemerkt, dass der Barkeeper umwerfend gut aussah.
Dass er sie beobachtete, hatte sie gespürt. Als sie ihm das Gesicht zugewandt hatte, hatte sie damit gerechnet, dass er sie wütend aufforderte, auszutrinken und zu gehen. Aber in seinem Blick hatte unbestreitbares Interesse gelegen.
Sie hob den frischen Martini an die Lippen und musterte den Barkeeper über den Rand des Glases, während er lässig an der Theke lehnte und das Geld aus der Kasse zählte. Er trug dunkelgraue Jeans und ein eng geschnittenes schwarzes Hemd, das seine breiten Schultern betonte. Die hochgekrempelten Ärmel zeigten kräftige Arme.
Mit seinem kurz geschnittenen schwarzen Haar, dem dunklen Teint und den himmelblauen Augen sah er viel besser aus als jedes ihrer Dates an diesem Abend. Natürlich waren das Aussehen, die Intelligenz und der Charme der Männer vorhin nicht das Problem gewesen. Nicht einmal die Reaktion auf ihre unverlangt abgegebene Erklärung.
Nein, das Problem war, dass sie sich geirrt hatte. Sie war einfach noch nicht bereit für eine neue Beziehung.
Ihrem gebrochenen Herzen war es gleichgültig, dass sie einen perfekten Plan in der Handtasche hatte. Sie konnte sich nicht einfach eine Frist setzen, bis zu der sie über alles hinwegkommen musste.
„Wie läuft es mit dem Nachdenken?“
„Gut, danke!“ Sophie hielt ihr Glas hoch. „Außerdem habe ich fast ausgetrunken, also sind Sie mich gleich los.“
„Möchten Sie darüber reden?“
„Nein!“ Sie kippte den Rest ihres Martinis hinunter und stellte das Glas ein bisschen zu heftig auf die polierte Theke.
Der Barkeeper zog die Augenbrauen hoch. „Ich besitze dieses Lokal seit zehn Jahren. Glauben Sie mir, ich weiß, wann es jemand nötig hat zu reden.“
Sophie glitt vom Barhocker, hängte sich die Handtasche über die Schulter und ging zum Ausgang, wo gerade ein Angestellter fegte, aber er hörte damit auf und öffnete die Tür für sie.
Was hatte sie erwartet? Dass der Barkeeper ihr folgen würde? Sie auffordern würde, stehenzubleiben?
Dass er weder das eine noch das andere tat, veranlasste Sophie zu zögern. Ihrer Mutter oder ihrer Schwester konnte sie ihr Herz nicht ausschütten. Die beiden unterbrachen sie ständig, urteilten, wollten ihr unbedingt eine Lösung bieten, während sie doch nur jemanden brauchte, der ihr zuhörte.
Das war der Grund dafür, dass Sophie der Versuchung nicht widerstehen konnte, mit einem Mann zu reden, der sie nicht kannte und den sie wahrscheinlich nie wiedersehen würde. Sie ging zurück an die Theke.
In aller Ruhe polierte er gerade ein Weinglas.
Sophie holte tief Luft. „Mein Verlobter hat mich zwei Monate vor unserer Hochzeit sitzen lassen.“
„Autsch“, sagte der Barkeeper. „Ich mixe Ihnen noch einen Drink.“
2. KAPITEL
Das Sophie-Projekt (Projektleiterin: S. Morgan)
Aufgabe eins: einen Freund zum Ausgehen finden?
Sophie war nicht sicher, wie lange sie geredet hatte, aber sie hatte viel geredet. Mehr als in den vergangenen sechs Monaten zusammen. Wahrscheinlich mehr, als der Barkeeper erwartet hatte. Armer Kerl. Er saß auf einem Hocker neben ihr, so nah, dass sein Knie fast ihres berührte, und trank noch immer seinen ersten Bourbon mit Cola. Vorhin hatte er die meisten Lampen ausgeschaltet, sodass nur noch das weiche, mehrfarbige Leuchten der von hinten angestrahlten Spirituosen und Liköre den Raum erhellte.
Jetzt wusste der Mann, dass Rick sie wegen einer anderen Frau verlassen hatte – zu allem Unglück war es auch noch eine gemeinsame Kollegin. Er wusste, dass Sophie hatte kündigen müssen, weil es ein Ding der Unmöglichkeit gewesen wäre, jeden Tag mit ihrem Ex und seiner neuen Partnerin zusammenzuarbeiten. Er wusste, dass Sophie ihren Anteil am
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