Julia Extra Band 366
nach einem Moment, die Augen unbeirrt auf Bradford gerichtet, als würde dessen kalter Blick ihr nicht das Geringste ausmachen. „Aber tatsächlich bist du noch abscheulicher, als sie zugeben wollte. Ich habe mir oft die Fotos von Larissa in den Magazinen angesehen und mich gefragt, wie jemand, der so viel mitbekommen hat, so wenig daraus machen kann – oder vielmehr so sensationell scheitert.“ Sie kräuselte die Lippen. „Doch jetzt frage ich mich, wie sie überhaupt so lange hat durchhalten können. Sie hatte doch nie wirklich eine Chance.“
„Du weißt nichts über meine Tochter“, schnaubte Bradford verächtlich. „Wie kannst du es wagen?“
„Ganz im Gegenteil“, gab Becca zurück. „Tatsächlich weiß ich wohl mehr über deine Tochter als jeder andere hier im Raum. Und eines ist absolut sicher – sie hat mehr verdient als dich. Viel mehr.“
Damit wandte sie sich ab und ging zur Tür. Theo wusste nicht, ob er ihr wegen ihrer Stärke applaudieren oder ob er bedauern sollte, dass sie diese Stärke gegen solche Grausamkeit einsetzen musste.
„Dein unqualifizierter Wutanfall interessiert mich nicht“, rief Bradford ihr hinterher. „Aber du musst immer noch deine Unterschrift leisten, sonst ist der Vertrag null und nichtig.“
„Warum machst du dir so viel Gedanken darum?“ Becca sah ihn über die Schulter hinweg kühl an. „Du hältst doch so wenig von Larissa.“ Ihr Blick ging durch den Raum, schenkte allen nur Verachtung. Vielleicht sogar Theo. „Warum also hat sie so viel Macht?“
„Macht!“ Bradford lachte. „Sie hat etwa genauso viel Macht wie du.“
„Und trotzdem gibst du dir so viel Mühe, das zu reparieren, was sie deiner Meinung nach zerbrochen hat“, sagte Becca höhnisch. Scharfsinnig, dachte Theo. „Vielleicht wusste sie, dass sie dich nur auf diese Weise wirklich verletzen konnte. Könnte sie aufwachen, würde ich ihr gratulieren. Sie hat wirklich Erfolg damit gehabt.“
Ihr Mund verzog sich, während ihr Blick über die Anwesenden schweifte: Bradford, der sie vernichtend ansah, Helen, die kerzengerade und stumm dasaß, und schließlich Theo. In dem Gefühle aufstiegen, die er sich nicht erlauben wollte. Und der sie immer noch nicht vor all dem beschützte. Oder vor sich selbst.
„Ich bin versucht zu gehen und sie gewinnen zu lassen“, sagte Becca ruhig. Sie hob ihr Kinn, ein verhaltenes Lächeln auf den Lippen. „Und genau das werde ich auch tun.“
Theo konnte nicht anders, als sie zu bewundern. Sehnsucht erfüllte ihn und er fragte sich einmal mehr, wie er es überleben sollte, sie zu verlieren, als sie sich umdrehte und stolz den Raum verließ.
Becca war so aufgewühlt, dass sie wie blind davonstürmte. Erst als sie wieder zu Atem kam, merkte sie, dass sie nicht auf die Haustür zugesteuert war, sondern sich in dem großen Anwesen verloren hatte.
Sie blieb stehen, presste die Hand gegen die Brust, um ihr hämmerndes Herz zu beruhigen und zwang sich, tief durchzuatmen. Sie sah sich um und bemerkte eine elegante Standuhr und eine Sammlung von kunstvoll bemalten Vasen in Blau und Weiß, die auf schmalen Tischchen standen. In diesem Gang war sie vorher noch nie gewesen.
Ein Gefühl von Verwirrung und Verrat drohte ihr den Boden unter den Füßen wegzureißen, und sie schloss für einen Moment die Augen.
Der Mensch, auf den sie tatsächlich wütend war, so erkannte sie, war sie selbst.
Was hatte sie denn erwartet? Sie hatte sich selbst eingeredet, dass sie nur eines wollte: Geld für Emily. Und sie hatte es auch geglaubt. Theo war eine unvorhergesehene Komplikation, aber sie hatte angenommen, damit fertig zu werden, mit ihm fertig zu werden. Sie hatte geglaubt, immer noch völlig auf ihr Ziel konzentriert zu sein, ganz egal, was passierte.
Wie verblendet sie doch gewesen war. Auch sich selbst gegenüber. Und bis zum heutigen Abend hatte sie das nicht einmal gewusst.
Bis jetzt.
Nun konnte sie die Wirklichkeit, die so schrecklich und hässlich war, nicht länger leugnen. Und dass sie sich für ihre eigene Naivität hasste, machte alles nur noch schlimmer.
Sie hatte geglaubt, stark zu sein, vorbereitet auf diese Welt und auf das, was man ihr anhaben konnte. Stattdessen war sie immer noch das kleine Kind, das nicht verstand, warum der Rest der Familie sie nicht liebte. Das kleine Mädchen, das glaubte – verdammt sei Bradford –, das Leben der eigenen Mutter zerstört zu haben. Es spielte keine Rolle, wie oft sie das kleine Mädchen in sich zum
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