Julia Extra Band 369
wie das andere, doch wie sollte er das wissen? Realistisch betrachtet ließen sich aus ihrem Verhalten nur äußerst unschmeichelhafte Schlüsse ziehen.
Doch es half alles nichts, sie würde sich den Dingen stellen müssen. Entschlossen stand Cherry auf. Sie würde erst einmal ein ausgiebiges Bad nehmen und sich anschließend schick zurechtmachen. Das würde sie beruhigen und ihr Selbstbewusstsein stärken. So konnte es ihr gelingen, Vittorio beim Essen zu begegnen, als hätte es die Umarmung am Pool niemals gegeben.
Während das Wasser einlief, betrachtete sie sich kritisch im Spiegel. Große Augen, schönes Haar und hübsche Lippen – das waren ihre einzigen Pluspunkte. Weshalb hatte Vittorio sie nur geküsst? Ausgerechnet sie, die vielleicht einem verschreckten Spatzen glich, niemals jedoch einem Paradiesvogel?
Nach dem Bad trocknete Cherry sich ausgiebig ab, machte großzügig Gebrauch von einer verführerisch duftenden Körperlotion und packte dann das eleganteste Kleid aus, das sie mitgebracht hatte. Es war aus raschelnder, tiefblauer Seide und hatte ein Vermögen gekostet. Nach Liams Verrat hatte sie es sich als Trostpflaster gegönnt und es nicht bereut, denn es schien eine magische Wirkung zu besitzen. Wenn sie es anhatte, fühlte sie sich wie eine Prinzessin.
Das Haar steckte sie hoch, um erwachsener auszusehen. Gerade zog sie einige Locken aus dem Knoten, um der Frisur die Strenge zu nehmen, als es an der Tür klopfte.
Vittorio? Ihr Herz klopfte bis zum Hals.
Aber nicht er, sondern Sophia stand vor der Tür. „Ich dachte, wir könnten zusammen hinuntergehen“, meinte sie entschuldigend.
Sie trug ein schulterfreies dunkelgrünes Kleid, das ihre üppigen Brüste und die auffallend schmale Taille perfekt zur Geltung brachte. In ihrer Abendgarderobe wirkte Sophia noch reifer und erfahrener, als sie es ohnehin schon tat.
„Komm rein, ich muss nur noch meine Sandaletten finden.“ Cherry schloss die Tür und kniete sich vor ihre Reisetasche, um darin zu suchen. „Da sind sie ja!“ Strahlend hielt sie die Schuhe an den hohen Absätzen in die Luft, doch nach einem Blick in Sophias Gesicht wurde sie schnell wieder ernst.
Sophia weinte! Im Nu war Cherry bei ihr, legte ihr den Arm um die Schultern und führte sie zum Bett. „Santo?“, fragte sie nur, als sie sich neben ihre neue Freundin setzte.
Sophia nickte und schluchzte. Jetzt wirkte sie nicht mehr wie eine selbstbewusste junge Frau, sondern wie das sechzehnjährige Mädchen, das sie in Wirklichkeit war.
„Ich … ich muss einfach mit jemandem reden, denn ich stecke in wahnsinnigen Schwierigkeiten, Cherry.“ Sie wischte sich über die Augen. „Du bist die Einzige, die mich zu verstehen scheint.“
„Kannst du dich nicht deinem Bruder anvertrauen? Er würde bestimmt alles für dich tun“, redete Cherry auf sie ein.
„Vittorio?“ Nachdrücklich schüttelte Sophia den Kopf. „Er ist der Letzte, mit dem ich über mein Problem sprechen kann.“
Cherry atmete einmal tief durch und stellte die Frage, die ihr spontan durch den Kopf schoss. „Sophia, bist du schwanger?“
Ein verzweifeltes Nicken und ein erneuter Tränenstrom bestätigten die Vermutung.
„Es ist nicht Santos Schuld, aber das wird mir Vittorio natürlich nicht glauben. Ich wusste genau, was ich tat. Als Santo aufhören wollte, habe ich ihn animiert, weiterzumachen. Ich wollte ihm endlich ganz gehören und nicht im entscheidenden Moment beiseitegeschoben werden. Santo war hinterher völlig verzweifelt.“
„Und du?“
Sophia hob stolz den Kopf, und ihre verweinten Augen leuchteten. „Es war der schönste Moment meines Lebens, und ich bin immer noch glücklich. Doch ich hätte nie damit gerechnet, gleich beim ersten Mal schwanger zu werden.“
Trotz ihrer erstklassigen Erziehung war Sophia in gewissen Dingen anscheinend unglaublich naiv, von Empfängnisverhütung und fruchtbaren und unfruchtbaren Tagen schien sie noch nie etwas gehört zu haben. Sophia hatte jedoch auch keine Mutter, ältere Schwester oder Freundin gehabt, die sie über diese Dinge hätte aufklären können. Oder war Aufklärung in ihren Kreisen, in denen die Mädchen anscheinend als Jungfrauen in die Ehe gingen, auch gar nicht üblich?
Während Vittorio seine Schwester noch für ein Kind hielt, war sie bereits eine liebende Frau und werdende Mutter! Was für eine Situation!
Cherry seufzte. „Und was sagt Santo dazu?“, wollte sie wissen.
„Er weiß es noch gar nicht.“ Sophia schluckte. „Ich
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