Julia Extra Band 369
Dann verraten Sie mir doch, welche Dinge für Sie wichtig sind, Cherry. Wann kommen bei Ihnen Gefühle ins Spiel?“
„Bei etlichen Sachen.“
Er leerte sein Glas und beugte sich gespannt vor. „Nennen Sie mir ein Beispiel.“
Sein Gesicht war beunruhigend nah. Besonders die sinnlich geschwungene Unterlippe faszinierte Cherry. Nur mit Mühe gelang es ihr, eine Antwort zu formulieren – zeigte der Alkohol schon Wirkung?
„Oh, ich liebe Tiere und Bücher. Ich gehe gern mit Freunden essen und …“ Selbst in ihren eigenen Ohren klang das blass und wenig überzeugend.
Vittorio schien das ebenso zu empfinden, denn er schnitt ihr das Wort ab. „Das will ich im Moment nicht wissen. Was ist Ihnen wichtig im Leben, Cherry?“
„Das habe ich gerade gesagt!“ Kämpferisch sah sie ihn an.
„Und was ist mit Liebe? Mit Romantik? Gibt es in dem großen kalten England denn nicht einen ganz besonderen Mann? Wartet dort kein Geliebter auf Sie, Cherry?“
Unwillkürlich setzte sie sich aufrechter hin und legte den Kopf zurück. „Nein!“ Sofort jedoch bereute sie ihre spontane und ehrliche Antwort. Vittorio Carella musste sie für ein Mauerblümchen halten. „Jedenfalls im Moment nicht“, fügte sie deshalb schnell hinzu und zuckte betont gleichgültig die Achseln.
„Aber es gab da einen Mann? Sind Sie vielleicht deshalb nach Italien gekommen, um ihn zu vergessen?“
Was fiel ihm ein? Cherry war mit ihrer Geduld am Ende, und ihre blauen Augen sprühten vor Wut. „Das geht Sie überhaupt nichts an! Trotzdem bin ich bereit, Ihre Neugier zu befriedigen. Ich habe mir eine Auszeit genommen, um die Welt kennenzulernen und das Leben zu genießen. Jetzt zufrieden?“
„Nein. Sie haben meine Frage nicht beantwortet.“
Cherrys Glas schwappte über, so hart setzte sie es auf die Tischplatte. Sie schob den Sessel zurück und stand auf. „Ich bin Ihnen für Ihre Gastfreundschaft wirklich dankbar, Signor Carella“, erwiderte sie eisig. „Mein Privatleben geht Sie trotzdem nicht das Geringste an.“
Auch er hatte sich erhoben. Wortlos zog er Cherry an sich und küsste sie vorsichtig und fragend. Cherry war so überrascht, dass sie es widerstandslos geschehen ließ. Vittorio deutete dies als Zustimmung, und je fordernder und leidenschaftlicher er wurde, desto willenloser lag sie in seinen Armen.
Für Cherry wurden ihre schönsten Träume wahr. Sie spürte ein süßes ziehendes Gefühl, und die Welt versank in Bedeutungslosigkeit. Nur noch Vittorio existierte. Hingebungsvoll erwiderte sie seine Zärtlichkeiten.
Er legte ihr die Hand in den Rücken und drückte sie noch enger an sich. Nachgiebig ließ Cherry es geschehen, Vittorio nah zu sein, seine Küsse zu spüren, war alles, was zählte. Das Blut rauschte ihr in den Ohren, Leidenschaft und Verlangen raubten ihr den Verstand.
Die Nachmittagshitze, das Spiel von Licht und Schatten, der betäubende Duft der Blumen, Gefühle, die sie noch nie erfahren hatte, das alles versetzte Cherry in eine andere Welt. Vittorio fand sie schön und begehrte sie! Trunken vor Glück legte sie ihm die Arme um den Nacken.
Als sie ihn jedoch plötzlich zwischen ihren Schenkeln spürte, zerriss der Traum. Entsetzt wich Cherry zurück. „Nein! Ich will das nicht.“
Vittorio atmete schwer, macht jedoch keinen Versuch, sie wieder zu umarmen. „Genieße den Rest deines Cocktails, mia piccola “, meinte er rau. „Ich brauche erst mal eine Abkühlung.“
Damit drehte er sich um, lief zum Pool und sprang kopfüber in das kalte Wasser hinein.
4. KAPITEL
Cherry wartete nicht, bis Vittorio wieder aus dem Pool auftauchte, sondern stürmte zurück ins Haus. Völlig aufgelöst ließ sie sich auf ihr Bett sinken und schlug die Hände vors Gesicht. Was sollte Vittorio nur von ihr denken?
Wie hatte sie sich nur so aufführen können? Sie hätte im Garten bleiben und ihren Cocktail zu Ende trinken sollen. Sie hätte darauf warten sollen, dass Vittorio den Pool verließ, um dann mit einer beiläufigen Bemerkung die peinliche Situation wieder zurechtzurücken …
Cherry schloss gequält die Augen. Für sie war Vittorios Kuss die schönste und bewegendste Erfahrung ihres Lebens gewesen. Doch was würde Vittorio nun von ihr denken? Sie sah zwei Möglichkeiten: Entweder er nahm an, einen Mann vor die Wand laufen zu lassen bereite ihr Befriedigung, oder er unterstellte ihr, sich bewusst kapriziös zu verhalten, um sich für ihn interessanter und begehrenswerter zu machen.
Das eine lag ihr so fern
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