Julia Extra Band 371
auch, warum. Der vermutlich attraktivste Mann, den sie je gesehen hatte, trat durch die Tür in den Raum.
Nein, definitiv der attraktivste, ergänzte sie in Gedanken, als er sich an den Schalter stellte. Groß, exotisch dunkel, so elegant, dass er sogar mit einem blauen Auge und zerrissenem Hemd fantastisch aussah.
Unrasiert, das schwarze Haar zerzaust, stand er da. Das zerrissene Hemd gab den Blick auf eine muskulöse braune Schulter frei. Er gab es schließlich auf, die zerbrochenen Knöpfe seines Hemdes schließen zu wollen, und stopfte es sich nur in den Hosenbund. Auch wenn Natasha den Blick wieder auf das Formular wandte, so tanzte dennoch das Bild eines flachen Bauchs mit seidigen schwarzen Härchen vor ihren Augen. Jetzt konnte sie sich nicht einmal mehr an das Nummernschild ihres Wagens erinnern, obwohl sie das Auto schon seit fünf Jahren besaß!
„Können wir Sie wirklich nicht nach Hause fahren?“, hörte Natasha den Sergeant fragen.
„Das ist nicht nötig.“
Seine Stimme war tief und weich, und er sprach mit Akzent. Trotz der Umstände schien er derjenige zu sein, der die Kontrolle über die Situation hatte. Eine Aura von Überlegenheit umgab den fremden Mann, als er sein Jackett von dem Sergeant entgegennahm und mit einer Hand abklopfte, bevor er es überzog. Die Geste wirkte wie ein beleidigter Vorwurf, vor allem, als tatsächlich etwas Staub in die Luft stieg. Damit sagte er jedem hier deutlich, dass er besser war als alle Anwesenden.
„Wir bedauern dieses Missverständnis zutiefst und müssen uns entschuldigen …“, sagte der Sergeant jetzt.
Hastig senkte Natasha den Blick wieder auf ihr Formular, als er sich auf die Bank direkt hinter ihr setzte, um seine Schnürsenkel zu binden. Ein köstlicher Duft wehte ihr in die Nase, Rasierwasser gemischt mit Mann, und trotz ihrer besten Vorsätze tat ihr Körper aus eigenem Willen das, was sie so unbedingt vermeiden wollte – sie sah zu ihm hin.
Sah in ein Gesicht, das überwältigend schön war, in Augen, die auf den ersten Blick schwarz schienen, doch wenn man genauer hinsah, mitternachtsblau waren. Und er ließ es zu, dass sie ihn anstarrte, ließ sie in die dunklen Tiefen eintauchen, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder darauf richtete, sich die Schuhe zu binden. Natasha blieb wie benommen zurück, bis der Sergeant wieder sprach.
„Ich kann nur immer wieder betonen, Hoheit …“
Hoheit! Kein Wunder, dass der Sergeant zu Kreuze kroch! Hier handelte es sich wohl um einen diplomatischen Zwischenfall!
„… dass es uns sehr leidtut.“
„Sie haben nur Ihre Pflicht getan.“ Die Schnürsenkel geschlossen, richtete der Fremde sich zu seiner ganzen imposanten Größe auf. „Und ich hätte überhaupt nicht dort sein sollen, das ist mir inzwischen klar.“ Sein knappes Nicken schien seinen Worten mehr Bedeutung zu verleihen. „Vergessen wir den Vorfall.“ Dem Sergeant war die Erleichterung anzusehen, obwohl Seine Hoheit jetzt mit den Fingern schnippte. „Mein Telefon …“
„Natürlich, sofort …“
Natasha kam schier um vor Neugier. Was mochte da passiert sein? Nur leider konnte sie das Ausfüllen des Formulars nicht noch länger hinausziehen. Seltsamerweise spürte sie seinen Blick auf ihrem Rücken, als sie mit der Beamtin sprach, und als sie sich wieder umdrehte, begegneten sich ihr und sein Blick zum zweiten Mal. Nur kurz, denn Natasha schaute schnell beiseite. Sie meinte, eine Einladung in seinen Augen gelesen zu haben, auch wenn sich das mit Logik nicht erklären ließ.
„Guten Morgen.“
Seine Worte klangen sehr betont und waren auch definitiv an sie gerichtet. Sie war also gezwungen, den Blick wieder auf ihn zu richten, denn den Gruß nicht zu erwidern wäre unhöflich gewesen.
„Morgen …“
Seine Lippen verzogen sich, wenn auch nur unmerklich, aber es war eindeutig da. So als würde er ihre Stimme angenehm finden, so als hätte er gewonnen. Bizarrerweise fühlte Natasha sich bedroht. Ihr Puls ging schneller, genau wie ihr Atem. Der Instinkt riet ihr, loszurennen, vor allem, als dieser hochmütige Mund sich noch ein wenig mehr zu einem Halblächeln verzog. Es war wie ein Locken, und jetzt verstand sie auch dieses Gefühl der Bedrohung. Denn ihr Körper wollte noch immer rennen – auf ihn zu.
Sie bedankte sich bei der Polizistin für die Hilfe, und – sie hatte keine andere Wahl – ging an dem Fremden vorbei Richtung Ausgang.
Eine kaum zu bewältigende Aufgabe, denn noch nie war ihr Bewusstsein so
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