Julia Extra Band 371
schien er ihre Aufregung zu verstehen, noch war er scheinbar in der Lage, selbst eine Autotür aufzuziehen. Denn in aller Seelenruhe wartete er ab, bis ein Mann in einer langen Robe ausstieg und die Tür für ihn aufhielt. „Ich bestehe darauf“, sagte er.
„So gehen Sie doch endlich!“, drängte sie, doch es war bereits zu spät. Der Bus fuhr an der von der Limousine blockierten Haltestelle vorbei, und Natasha hörte den empörten Protest in der Schlange hinter sich aufbranden – was den Fremden jedoch nicht im Geringsten berührte. „Jetzt habe ich Ihretwegen meinen Bus verpasst!“
„Dann muss ich Sie also jetzt nach Hause bringen.“
Natasha wusste, man stieg nicht zu Fremden in den Wagen. Wie sie auch wusste, dass dieser Fremde eine völlig unverständliche Wirkung auf sie ausübte. Aber es war kalt und sie war durchnässt und sie hatte keine Lust, sich mit verärgerten Pendlern auseinanderzusetzen. Es gab also genauso viele Gründe, um das Angebot anzunehmen wie um es auszuschlagen.
Der wahre Grund, weshalb sie letztendlich in die Limousine stieg, ließ sich allerdings nicht rechtfertigen – sie wollte die Zeit mit dem Fremden so weit wie möglich verlängern, bevor es zu Ende ging.
Im Wagen war es angenehm warm. Arabische Musik spielte leise, als sie sich in die weichen Polster sinken ließ. Natasha kam sich vor, als wäre sie in eine andere Welt versetzt worden. Der Mann in der Robe reichte ihr eine kleine Tasse ohne Henkel. In ihrem Kopf hörte sie die warnende Stimme ihrer Mutter, dass sie verrückt wäre, das Getränk zu akzeptieren …
„Tee“, klärte Seine Hoheit sie auf.
Ja, ihre Mutter hätte sie gewarnt. Aber inzwischen war sie vierundzwanzig, und so nahm sie die Tasse nach kurzem Zögern an. Der Tee war süß und stark, und es war viel angenehmer, in diesem luxuriösen warmen Wagenfond zu sitzen als an der Bushaltestelle zu frieren, dennoch entspannte sie sich nicht. Wie sollte sie auch, wenn er ihr gegenübersaß und darauf wartete, dass sie ihn ansah?
„Wo wohnen Sie?“
Sie nannte ihm die Adresse, es blieb ihr ja gar nichts anderes übrig.
„Sie müssen mir verzeihen“, sagte er jetzt. „Ein paar Stunden in der Arrestzelle, und schon vergesse ich meine Manieren. Ich habe mich nicht einmal vorgestellt. Ich bin Scheich Rakhal, Kronprinz von Alzirz.“
„Natasha Winters.“ Es gab keinen Titel, den sie hätte hinzufügen können, doch er lächelte leicht, als ihr doch noch etwas einfiel. „Von London.“
Die Unterhaltung blieb höflich und etwas steif. Er erkundigte sich nach ihrem Urlaubsziel und schien erstaunt über das Konzept, eine Pauschalreise über ein Reisebüro oder online zu buchen. Dann erzählte er, dass er geschäftlich in London sei und oft herkomme, in Kürze aber wieder nach Hause fliegen würde.
„Und Sie sind bereits zu Hause“, sagte er, als der Wagen am Straßenrand anhielt.
Natasha hatte das Gefühl, dass es damit trotzdem noch nicht zu Ende war.
„Darf ich Sie heute Abend zum Dinner ausführen?“, fragte Rakhal da auch schon. Eine Antwort wartete er gar nicht erst ab. „Ich hole Sie um sieben Uhr ab.“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich fürchte, ich habe schon etwas vor.“
Eine Lüge, da war er sicher. Ebenso sicher war er, dass sie versucht war, seine Einladung anzunehmen. Aber sie hatten sich auf einer Polizeiwache getroffen, und sein blaues Auge war Beweis für die Wut eines verärgerten Ehemannes. Man musste kein Genie sein, um zu wissen, dass er mehr als Dinner im Sinn hatte.
Auch sie würde das wissen.
Ihre Reaktion auf diesen Mann schockierte Natasha, das war ihr noch nie passiert. Ein Pulsieren hing in der Luft, stellte irgendeine Verbindung zwischen ihnen her. Von diesem Mann ging eine ursprüngliche sexuelle Energie aus, und Natasha ermahnte sich, auf der Hut zu sein. Sie fasste nach dem Türgriff.
„Warten Sie.“ Rakhal legte die Finger um ihr Handgelenk.
Panik flatterte in ihrem Magen auf. Was sollte sie machen, wenn er sie nicht aussteigen ließ? Oder war die Berührung, waren seine warmen Finger auf ihrer Haut der Grund für das Flattern?
„Öffnen Sie die Tür nicht selbst.“
Es sah auch nicht so aus, als wollte er die Tür für sie öffnen. Stattdessen stieg der Mann in der Robe, der ihr auch den Tee gereicht hatte, aus und kam um den Wagen herum. Rakhals Hand lag noch immer um ihren Arm, und sie wartete. Worauf eigentlich? Eine Wiederholung der Dinnereinladung? Oder vielleicht wartete er darauf, dass sie ihn
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