Julia Extra Band 371
ihre helle Haut, die ihre Gefühle so leicht verrieten. Jetzt war das Rot an ihrem Hals zu sehen. Und ihre Augen … er wünschte, sie würde den Kopf drehen und ihn ansehen, damit er noch einmal einen Blick auf das leuchtende Grün werfen konnte.
„Ich hatte keine Ahnung …“, setzte er das Gespräch fort und beobachtete, wie das Rot bis in ihr Ohr stieg. „Natürlich ist das keine Entschuldigung.“
Aber es war der Grund, weshalb er dem Sergeant hatte versichern können, dass es keinen weiteren Zwischenfall geben würde. Denn im Grunde genommen hatte die Unbekannte recht. Ja, er hatte Diebstahl begangen. Und das nagte an ihm. Zu seiner Entschuldigung konnte man nur vorbringen, dass manche Frauen ihren Ehering abzogen und in der Handtasche verschwinden ließen, wenn er einen Raum betrat.
„Und wieso waren Sie auf der Wache?“
Natasha war versucht, ihn zu ignorieren, doch das würde ihm nur zeigen, welche Wirkung er auf sie hatte. Deshalb würde sie also Konversation mit ihm machen wie mit jedem anderen, den sie zufällig an der Bushaltestelle getroffen hätte. „Mein Auto wurde gestohlen.“
„Das muss unangenehm sein.“ Rakhal konnte sehen, wie sie die Schultern versteifte.
„Ein wenig schon, ja.“ Es war wesentlich mehr als nur „unangenehm“. Nun, für ihn als reichen Aristokraten mochte so etwas eine Bagatelle sein. Doch das war wohl ein wenig unfair. Er hatte ihr nichts getan. Es lag an ihrer Reaktion auf ihn, dass sie so gereizt war. „Eigentlich wollte ich in Urlaub fahren.“
„Mit dem Auto?“
Sie lachte. Gott bewahre! „Nein.“ Sie drehte sich halb zu ihm um, es schien ihr unhöflich, sich über die Schulter mit ihm zu unterhalten. „Auf den Kontinent.“
„Und Sie brauchen Ihren Wagen, um zum Flughafen zu kommen?“
Es war einfacher, wenn sie nur nickte. Sie betete, dass der Bus bald kam.
Schweigend standen sie da, während missmutige morgendliche Pendler sich in das schützende Häuschen drängten, sodass sie bald noch näher beieinander standen. Natasha erhaschte wieder seinen Duft, und sie hatte das Gefühl, als würde er jedes einzelne ihrer Haare zählen.
Völlig unerwartet nahm er das Gespräch wieder auf. „Könnten Sie sich nicht ein Taxi nehmen?“
Jetzt drehte sie sich endlich ganz zu ihm um. Rakhal freute sich über den kleinen Sieg, genau wie er die kleine Schlacht genossen hatte. Denn nur selten war eine Frau so unwillig, aber es gab keine, deren Meinung er nicht ändern konnte.
„Es ist etwas komplizierter als das.“
Es war sogar sehr viel komplizierter als das. Um ehrlich zu sein, konnte sie sich einen Urlaub gar nicht leisten. Sie hatte ihrem Bruder ziemlich viel Geld geliehen, damit er seine Spielschulden begleichen konnte. Sie brauchte einfach nur Abstand, denn so schnell würden sich Marks Probleme nicht lösen lassen. Nur brauchte dieser faszinierende Fremde das nicht zu wissen.
„Wieso?“
Der Mann war hartnäckig. Andere hätten längst geschwiegen. „Es ist eben so“, antwortete sie.
Er runzelte die Stirn. Offensichtlich erwartete er tatsächlich, dass sie es ihm erklärte.
Einem Mann, den sie nie zuvor gesehen hatte? Von dem sie nichts wusste, außer dass er wenig Achtung vor gesellschaftlichen Normen hatte?
Auch jetzt verhielt er sich nicht normgerecht: Während die Schlange der wartenden Pendler immer länger wurde und die Leute drängelten, um unter das schützende Dach der Haltestelle zu gelangen, fasste er ihren Ellbogen und stellte sich schützend hinter sie. Es mochte männlich wirken, aber ihrer Meinung nach war es einfach nur unverfroren.
Genauso unverfroren wie ihre Gedanken. Denn für einen Moment stellte sie sich doch tatsächlich vor, dass er sie in dem Gedränge küssen würde. Ein gefährlicher Gedanke, den sie lieber nicht weiter verfolgte. Natasha zog ihren Arm aus seinem Griff und hätte nicht sagen können, ob es Erleichterung oder Bedauern war, als sie den herankommenden Bus erblickte.
Sie hob den Arm, um den Bus heranzuwinken, und er tat genau das Gleiche. Allerdings wurde ihr sehr schnell klar, dass er nicht den Bus heranwinkte, sondern eine lange schwarze Limousine mit getönten Scheiben. Der Wagen setzte den Blinker und bremste vor der Haltestelle ab.
„Gestatten Sie mir, Sie nach Hause zu bringen.“
„Nein!“ Die Panik war deutlich in ihrer Stimme zu hören, aber nicht wegen seines Angebots. Wenn die Limousine hier stand, würde der Bus nicht halten. „Der Wagen darf hier nicht parken …“
Weder
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