Julia Extra Band 371
wartete nicht, bis die anderen sich zusammengefunden hatten, sondern ging allein los und rief laut ihren Namen. Dann jedoch fiel ihm ein, dass sie vor ihm weggerannt war, und so stellte er sein Rufen ein, und schickte stattdessen ein Stoßgebet zum Himmel, dass er die Chance erhalten würde, ihr alles zu erklären. Niemals hätte er sich ihr aufgedrängt, das war nie seine Absicht gewesen.
Nach einer Viertelstunde war Natasha atemlos, das Adrenalin verebbte. Erschöpft ließ sie sich auf den kalten Sand sinken. Sie wusste, wie verrückt es war, in der Nacht in die Wüste zu rennen, aber zu bleiben wäre ihr unmöglich gewesen. Sie hörte die Rufe in der Ferne. Allerdings suchte man in der anderen Richtung nach ihr. Sie hatte also noch immer eine Chance.
Natasha sah in die Wüste hinaus, dann in Richtung der Zelte zurück. Schon konnte sie die Zelte kaum mehr sehen, und auch die Stimmen wurden immer leiser. Entweder sie rief jetzt um Hilfe und wurde dann zu Rakhal zurückgebracht, oder sie versuchte ihr Glück in der Nacht …
Sie setzte auf die Hoffnung.
Rakhal beobachtete sie aus der Entfernung, sah, wie sie sich umschaute und sich dann von den Stimmen abwandte und in die andere Richtung ging. In diesem Moment rief er ihren Namen. Prompt spurtete sie los, doch er hatte sie bald eingeholt.
„Du würdest lieber in die Nacht rennen, als zu mir zurückgebracht zu werden?“
„Ja!“ Sie wehrte sich mit Händen und Füßen, doch sie kam nicht frei.
„Auch wenn ich dir versichere, dass ich dir nicht wehtun werde? Dass ich mich um dich kümmern werde?“
„Ich brauche niemanden, der sich um mich kümmert!“, schrie sie. Sie trat und schlug um sich, doch er war zu stark.
Und er diskutierte nicht länger, denn er wusste, dass ihre Kraft irgendwann nachlassen würde, dass ihre Wut irgendwann verrauchen würde. So gab er sie nach einer Weile frei, und sie ließ sich auf den Sand sinken und schlang die Arme um die Knie. Doch sie weinte nicht, obwohl sie geschlagen war.
Rakhal verspürte ein seltsames Ziehen in seiner Brust, den Drang, sie zu berühren. Er streckte die Hand aus und wollte ihr über die Wange streichen, doch mit einem Ruck zog sie den Kopf weg und sah mit wütend funkelnden Augen zu ihm auf.
„Dann tu es eben!“ Sie machte Anstalten, sich das Nachthemd vom Körper zu reißen. „Ich werde dir nicht die Genugtuung geben und gegen dich ankämpfen.“
Er war entsetzt, dass sie so etwas von ihm denken sollte. Vor ihr sank er auf die Knie und zog das Nachthemd wieder zurück über ihren Körper, aber dabei riss der dünne Stoff. „Hör auf damit, Natasha!“
„Wir wissen doch beide, was passieren wird. Bringen wir es hinter uns, dann kann ich mich hier in den Sand übergeben und beschmutze nicht dein Bett!“
„Natasha, ich würde dich niemals zwingen …“
„Ja, sicher“, fauchte sie. „Dafür wurde ich doch vorbereitet!“
„Weil die Dienerinnen nicht wissen dürfen, dass wir nicht miteinander schlafen, dass ich nicht die Absicht habe … Ich habe nur die besten Absichten, aber Abdul darf nichts davon erfahren. Deshalb konnte ich dir nichts erklären. In London wärst du in Gefahr gewesen. Mir blieb nichts anderes, als dich mit herzubringen.“
Sie lachte abfällig auf. „In Gefahr?! In London?“
„Dein Bruder kam noch einmal zurück in dein Haus. Er hat getobt und gewütet, hat Fenster zerschlagen … Glaubst du, ich würde dich allein mit ihm zurücklassen?“
„Ich wäre schon damit fertig geworden.“
„Wie?“
Natasha wusste es nicht. Ihr Herz zog sich zusammen. Wäre sie nicht mit Rakhal ausgegangen, hätte sie sich mit der Wut ihres Bruders auseinandersetzen müssen. Unwillkürlich fasste sie nach der Perlenkette ihrer Mutter an ihrem Hals. Ihr Bruder hätte sie ihr vom Hals gerissen, das wusste sie. „Hat man ihn verhaftet?“
„Nein.“ Er setzte sich neben sie, schlug das zerrissene Nachthemd über ihrer Brust zusammen. „Er floh, kam dann aber am nächsten Morgen reuig zurück. Da saßen wir schon im Flugzeug. Ich hatte Anweisungen bei meinen Leuten hinterlassen, sie haben sich um ihn gekümmert.“ In Panik wollte sie aufspringen und fliehen, doch er hielt sie fest. Ihm wurde klar, wie wenig sie ihm vertraute, wie wenig sie von den Sitten und Gebräuchen seines Landes verstand. „Deine Familie geht mich jetzt auch etwas an!“ Rakhal musste schreien, um zu ihr durchzudringen. „Dein Bruder ist auf dem Weg hierher!“
Abrupt verharrte sie. „Er kommt
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