Julia Extra Band 371
„Früher hast du keine Spielchen getrieben. Das hat mir ganz besonders an dir gefallen.“
„Das ist eine kleine Ewigkeit her“, erwiderte sie scharf. „Und es war nur eine kurze Ferienromanze. Ich bin darüber hinweg, du bist darüber hinweg. Was gibt es da zu klären? In der nächsten Woche wird es um Geschäftliches gehen, und um nichts anders.“
„Warum bist du dann so widerborstig?“, fragte er, scheinbar verwundert.
Sie wollte antworten, dann überlegte sie es sich anders und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. Auch diese Verlegenheitsgeste kannte er.
Genau so hatte Callie sich damals durch die Haare gestrichen, als sie sich kennenlernten. Sie beide hatten nach der letzten Flasche eisgekühlter Limonade am Strandkiosk gegriffen und waren natürlich ins Gespräch gekommen. Auch beim ersten gemeinsamen Abendessen in einer kleinen ruhigen Trattoria hatte sie diese Bewegung gemacht – und dann, als er sie ins Hotel mitgenommen hatte.
Damals hatte er ihr die Befangenheit nehmen können. Aber jetzt wirkte sein Charme bestimmt nicht mehr so gut auf sie.
„Weil …“, begann Callie schließlich zögernd, „unsere frühere Beziehung für die Zusammenarbeit jetzt Komplikationen bedeutet, und die hasse ich.“
„Wenn das alles eine kleine Ewigkeit her ist, wie du eben gesagt hast, wieso bedeutet es dann Komplikationen?“, hakte er nach. „Außer …“
Er machte bewusst eine Pause.
„Außer was, Archer?“ Callie sah ihm misstrauisch in die Augen.
Und er las die Antwort in ihrem Blick, bevor er die Frage gestellt hatte. Ja, der Funken von damals war noch nicht völlig erloschen.
„Außer du empfindest noch etwas für mich“, beendete Archer den Satz.
„Ha! Ich bin vieles, aber definitiv keine Masochistin!“ Sie stand rasch auf und kam um den Schreibtisch herum.
Archer stand ebenfalls auf. Bevor er etwas sagen konnte, sprach sie weiter.
„Ich bin doch kein Dummkopf! Vor einigen Jahren hatten wir eine leidenschaftliche Affäre, wir sind Singles, und wir werden demnächst viel Zeit miteinander verbringen. Da muss man damit rechnen, dass noch einige letzte Funken fliegen. Das hat aber nichts zu bedeuten.“ Wieder fuhr sie sich durch die Haare. „Ich habe einen Job zu erledigen, und den werde ich nicht aufs Spiel setzen, indem ich nochmal einen Fehler mache.“
Er fasste sie bei den Armen, sodass sie ihm nicht entkommen konnte. „Das mit uns war kein Fehler!“
„Ach nein? Warum hast du dann Hals über Kopf die Flucht ergriffen?“
Das konnte er ihr nicht beantworten. Also ließ er sie los, drehte sich um und verließ das Büro.
„Du flüchtest immer noch“, bemerkte Callie leise.
Er hörte es. Und ging ein bisschen schneller.
Auf dem Heimweh machte Callie einen Abstecher in ihr Lieblingslokal Rivera.
„Hallo, querida “, begrüßte Arturo Rivera sie und warf ihr eine Kusshand zu.
Callie lächelte ihn an und fühlte sich gleich viel weniger angespannt.
Artie wusste über ihre Probleme Bescheid: Darüber, dass ihr Geschäft unbedingt florieren musste, damit sie ihrer Mutter die beste Pflege beschaffen konnte. Er kannte ihre Ängste und Unsicherheiten, weil er seine Frau durch die gleiche Krankheit verloren hatte, der auch ihre Mum schließlich zum Opfer fallen würde.
Der Arzt hatte damals darauf bestanden, dass Callie sich einer Selbsthilfegruppe anschloss, weil es ihr helfen würde, mit der Krankheit umzugehen und sie somit ihrer Mutter eine bessere Stütze sein konnte.
Callie hatte sich hilflos und zornig gefühlt, weil ausgerechnet ihre lebhafte, fröhliche Mutter von der heimtückischen Krankheit mit dem komplizierten Namen Lateralsklerose befallen war, einer Krankheit, die einen schleichend zum Krüppel machte und schließlich umbrachte.
Davon hatte sie nichts gewusst, bis ihre Mutter die Symptome nicht länger verbergen konnte: das häufige Stolpern, weil die Beinmuskeln immer schwächer wurden, das Fallenlassen von Gegenständen, weil die Hände nicht mehr fest genug zupacken konnten …
Callie hatte ihre Mutter zum Neurologen begleitet. Als sie die Diagnose erfuhren, waren sie wie am Boden zerstört. Es gab keine Heilung, und die Sterberate war erschreckend.
Ihre Mutter hatte in ihrer typisch energischen Art noch allein gelebt, solange das möglich war. Da sie ihrer Tochter auf keinen Fall zur Last fallen wollte, hatte Callie sich schließlich um ein Heim bemüht. Es war das beste, das es in der Gegend gab, und bot neben hervorragender ärztlicher und
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