Julia Extra Band 371
unwiderstehlichen Charme.
„Es ist nur logisch, wenn du bei mir wohnst“, sagte Archer vernünftig. „Ich habe genug Platz. Und wir können uns rund um die Uhr mit der Kampagne befassen.“
Verflixt, er hatte recht! Sie würde viel mehr schaffen, wenn sie nicht ständig von Melbourne nach Torquay pendeln musste. Trotzdem behagte ihr das Arrangement gar nicht.
„Ich fühle mich nicht wohl beim Gedanken, eine ganze Woche mit dir zu verbringen“, teilte sie ihm unverblümt mit.
„Wirklich? Das hätte ich nie vermutet.“ Er schenkte ihr ein entwaffnendes Lächeln. „Gibt es etwas, womit ich dir das Abkommen versüßen kann?“
Meine Güte, er trägt den Charme wirklich dick auf, dachte Callie entnervt. Plötzlich prickelten ihre Lippen, als sie seinen Mund betrachtete und sich erinnerte, wie es sich anfühlte, ihn zu küssen. Ihr Widerstand schmolz wie Schnee an der Sonne.
Um sich nichts anmerken zu lassen, warf sie Archer einen strengen Blick zu. „Ja, das gibt es“, informierte sie ihn und schob ihm einen Briefumschlag zu. „Unterschreib, dass du mit meinen neuen Honorarsätzen einverstanden bist. Deine Assistentin hat auf meine letzten beiden E-Mails nicht reagiert, und ich möchte endlich bezahlt werden.“
„Hast du finanzielle Probleme?“, erkundigte Archer sich ernst.
Und ob, antwortete sie im Stillen. „Nein, ich mache nur gern meine Abrechnungen monatlich, und du warst bisher immer pünktlich beim Bezahlen.“
Das hatte ihr ermöglicht, ihr Geschäft zu lancieren und über Wasser zu halten. Und das Pflegeheim für ihre Mutter zu bezahlen. Wenn sie den neuen Auftrag nicht bekam, dann …
Nein, das durfte nicht passieren. Deshalb durfte sie Archer auch nicht länger Widerstand leisten, sondern musste sich ihm fügen, egal, was er verlangte.
Ihr blieb wirklich keine andere Wahl.
„Um es noch mal ganz klar und unmissverständlich zu formulieren: Wenn ich dich nach Torquay begleite, gehört die Surfschulkampagne mir.“
„Dir ganz allein, Callie“, bestätigte er.
Statt begeistert zu sein, den größten Auftrag ihres Lebens bekommen zu haben, wurde ihr flau zumute.
Welchen Preis werde ich zahlen müssen? fragte sie sich beklommen, und ihr Herz begann zu rasen.
2. KAPITEL
Archer hätte am liebsten laut Hurra gerufen, als Callie zustimmte, ihn zu begleiten. Nun würde die Hochzeit seines Bruders für ihn erträglich werden. Er war oft genug bei Trauungen in Torquay gewesen und kannte den Ablauf: Man stand im Festzelt herum, man wurde von entfernten Verwandten geküsst, an die man sich nicht erinnerte, alte Freunde klopften einem auf die Schultern und gratuliertem zum Erfolg.
Und man versuchte unweigerlich, ihn mit jeder unverheirateten Frau unter dreißig zu verkuppeln. Seine Mutter konnte die Frauen nicht ausstehen, die er zu Weihnachten mit nach Hause brachte. Sie versuchte ganz ungeniert, ihn mit netten sanften Mädchen aus der Stadt zu verbandeln, mit denen er dann im Ort sesshaft werden und eine große lärmende Kinderschar produzieren sollte.
Nein, das war wirklich nicht sein Lebenstraum. Er wollte frei sein.
Frei zu gehen, wohin er wollte. Frei von Bindungen, die letztlich Fesseln waren. Frei, sich mit Frauen zu verabreden, die Spaß haben wollten, und keinen Ring …
Callie hatte damals von einem Haus im Grünen mit Familie geträumt. Für ihn war es ein Albtraum. Ob ihr Herz noch immer daran hing?
Archer betrachtete ihre Hände und stellte fest, dass sie keine Ringe trug. Das war ein gutes Zeichen. Eigentlich hätte er sie fragen sollen, ob es derzeit einen Mann in ihrem Leben gab, aber da sie zugestimmt hatte, ihn nach Torquay zu begleiten, war sie momentan vermutlich Single.
Während ihm diese Gedanken durch den Kopf gingen, hatte sie ein geschäftliches Telefongespräch geführt und legte nun auf.
„Zeit für dich zu gehen, oder?“, sagte sie betont.
„Wir sind noch nicht fertig“, antwortete Archer.
„Wer hätte das gedacht“, meinte sie ganz leise.
Er hörte es trotzdem. So ungern er an die Vergangenheit dachte, musste er sie jetzt zur Sprache bringen. Es ging nicht, dass Callie ihn bei der Hochzeit mit Blicken zu erdolchen versuchte. In dem Fall würde seine Mutter ihm sofort eins ihrer Mädchen an den Hals werfen.
„Sollten wir nicht ein klärendes Gespräch führen, um … die Atmosphäre zu reinigen?“, schlug er vor.
„Ich weiß nicht.“ Sie zog die Brauen hoch. „Hältst du das denn für nötig?“
Enttäuscht schüttelte er den Kopf.
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