Julia Extra Band 373
Natasha immer bleicher wurde. „Aber so sind eben unsere Regeln.“ Scheinbar ungerührt zuckte er mit den Schultern. „Die Umstände haben meine Töchter früh gezwungen, stark zu werden, und so haben sie es überlebt.“
Dann hörte er abrupt mit seiner böswilligen Kampagne auf – nicht, um Natasha zu schonen, sondern weil alles in ihm einfach aussetzte.
Er hatte sich oft gefragt, wie Amy als seine Königin aussehen würde. In diesem Moment hatte er das Bild vor sich.
Sie betrat den Saal in einem dunkelblauen Samtkleid, ihre Lippen waren blutrot geschminkt und ihre Augen mit Kajal betont, das Haar trug sie offen. Doch nichts, auch nicht die Kunst der Stylistin, hätte das Leuchten in ihren Augen und das sanfte Rot auf ihren Wangen erschaffen können, das der Kuss hervorgezaubert hatte.
Welch grausame Welt, dachte Emir. Denn sie lockte ihn mit dem, was er nicht haben konnte. Sie zeigte ihm die Vision, wie gut es hätte sein können, würden die Regeln es erlauben, Amy an seine Seite zu holen.
Vor seinen Augen veränderte sie sich. Sie plauderte angeregt mit Natasha, doch ihre Gesten waren allein für ihn bestimmt. Sie warf den Kopf in den Nacken und lachte leise, wobei sie die Hand über die Narbe an ihrem Hals legte. Er musste sich zusammennehmen, um nicht den Arm um Amy zu schlingen und sie an sich zu ziehen. Er wollte an der Unterhaltung teilnehmen, wie ein Partner es getan hätte. Er wollte wie ein Partner leicht ihre Hüfte drücken und ihr ins Ohr flüstern, dass sie bald nach Hause gehen würden, um endlich allein zu sein …
Vorsichtig stellte Emir sein Glas ab, bevor es ihm noch zwischen den Fingern zerbrach, und wandte sich ab. Er versuchte, sich an die schüchterne junge Frau zu erinnern, die zuerst in seinem Palast angekommen war. Damals hatte er sie kaum bemerkt, denn die Sorge um seine Frau, die mit jedem Tag mehr dahinsiechte, hatte seine Gedanken beschäftigt. Er wollte die unsichtbare Frau zurück, die sie damals gewesen war.
Denn das war sie nicht mehr.
Jetzt rückte bei ihrem Anblick alles andere in den Hintergrund.
„Danke, dass Sie doch noch heruntergekommen sind.“ Zwei endlose Stunden später verabschiedete sich Natasha am Ende der Feier bei Amy mit einem Kuss auf die Wange. „Es war so nett, mich mit Ihnen unterhalten zu können.“
„Ja, auch mir war es ein Vergnügen“, erwiderte Amy. „Vielen Dank für die Einladung.“
Kein Wort davon war ernst gemeint. Genauso wenig wie Emirs Worte, der Rakhal höflich dankte und sich dann zur Treppe drehte.
In ihrem Zimmer konnte Amy es jetzt nicht aushalten. Also ging sie hinaus in den duftenden Garten, atmete tief die Aromen ein und hoffte, dass sie ihre wirbelnden Gedanken beruhigten. Lauschte auf das Murmeln der Springbrunnen, damit es ihr Trost spendete. Doch Amy hoffte vergebens, und endlich verstand sie, was Emir gemeint hatte, als er sagte, er würde die Hölle durchmachen.
Voneinander entfernt zu sein, während sie das Gleiche dachten, den anderen zu ignorieren, während ihre Körper schrill nacheinander riefen, war ein mächtiger Vorgeschmack auf das, was kommen würde, wenn er wieder verheiratet war.
Wenn sie in Alzan blieb.
Zorn tobte in ihr, als sie ihre Suite betrat, doch sie wusste, was sie zu tun hatte. Ihr Bett war unangerührt, trotzdem bestätigte ihr sein Duft, dass er im Raum war. Dann sah sie die offene Tür – Emir stand beim Pool. Er drehte sich zu ihr um, und ihre Blicke trafen sich. Amy schüttelte den Kopf. Nein, sie würden nicht zu heimlichen Liebhabern werden.
Tapfer ging sie auf ihn zu. Sie hielt das Verlangen, das dieser Mann in ihr auslöste, eisern im Zaum, sagte sich vor, dass es aus und vorbei war.
„Ich bin fertig mit dir, Emir.“ Sie zwang sich, die Worte über die Lippen zu bringen. „Ich mag dich nicht einmal.“
Er sah sie nur schweigend an, ließ sie weitersprechen.
„Ich könnte nie etwas für einen Mann empfinden, der seine eigenen Kinder ignoriert, auch wenn ich selbst keine Kinder bekommen kann. Schon deshalb würde ich niemals zustimmen.“ Sie log, sie selbst konnte es in ihrer Stimme hören, dabei wünschte sie sich, es könnte wahr sein. „Wie könnte ich einen Mann lieben, dem nichts an seinen Kindern liegt?“
Sie sah, wie er die Augen zusammenkniff. Vermutlich war das nicht das Thema, das er erwartet hatte. Er hatte eine Geliebte gesucht, keinen Streit wegen seiner Kinder. Doch ihr hämmerndes Herz blieb für einen Moment stehen, als er mit tiefer Stimme eine
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