Julia Extra Band 373
Festlichkeiten gingen weiter. Die Geburt des Thronfolgers musste schließlich gebührend gefeiert werden. Aber Amy konnte die Erschöpfung in Natashas Augen erkennen, während die Königin den nicht versiegen wollenden Strom der Gäste begrüßte.
Für das offizielle Frühstück war ein langer Tisch angerichtet worden, der sich unter dem Gewicht der vielen Schüsseln und Platten bog. Während ihrer Zeit hier hatte Amy die vielen exotisch gewürzten Speisen zu lieben gelernt, aber sie war schließlich nicht hier, um zu essen, sondern um auf die Zwillinge aufzupassen. Man ging davon aus, dass sie bereits gefrühstückt hatte, bevor die Prinzessinnen wach wurden.
Dabei kam sie vor Hunger halb um.
Emir konnte den Hunger deutlich in ihren Augen sehen. Die lagen nämlich wie gebannt auf der sfiha , der Fleischpastete, nach der er griff. Er saß an Rakhals Tisch, und es wäre unhöflich gewesen, nicht zuzugreifen, aber gegenüber Amy hatte er ein schlechtes Gewissen.
Sobald es um sie ging, war er schwach, das wusste er.
Und schwache Könige trafen keine guten Entscheidungen.
„So essen Sie doch auch etwas“, forderte Natasha neben ihr sie auf, während sie die Zwillinge fütterte.
„Vielen Dank, aber ich habe schon gegessen“, behauptete Amy.
„Ich bestehe darauf.“ Natasha erhaschte den warnenden Blick ihres Mannes, doch sie lächelte nur sonnig zurück, denn sie wusste etwas, das Rakhal noch nicht wusste. Bisher hatte sich keine Gelegenheit ergeben, ihm davon zu berichten.
Als Rakhal nämlich am Morgen ausgeritten war, hatte sie sich mit einer Tasse Tee auf den Balkon zurückgezogen – und das fröhliche Lachen einer Familie gehört und die Liebe gespürt, die in der Luft gelegen hatte. Sie selbst kannte den Druck nur zu gut, der auf einem lag, wenn man als unpassende Braut angesehen wurde. Doch hier in Alzirz fanden langsame Veränderungen statt … warum also sollte es nicht auch in Alzan möglich sein?
Amy gab sich alle Mühe, den Hunger zu ignorieren. Sie musste sich zusammennehmen, um nicht den Kopf zu drehen, wenn sie seine Stimme hörte. Die Zwillinge waren ein wenig zu laut, aber sie unterhielten ihr Publikum und genossen die Aufmerksamkeit. Als sie zu Ende gefrühstückt hatten, wischte Amy ihnen Hände und Gesicht sauber und machte sich bereit, mit ihnen in ihren Raum zurückzukehren, um sie für die Heimreise vorzubereiten.
Nein, keine Reise nach Hause, ermahnte sie sich in Gedanken. Sie reiste nur zum Palast zurück.
Mit dem Beweis für letzte Nacht auf ihrem Handy.
Für einen Moment überließ sie sich mit geschlossenen Augen den Tagträumereien und malte sich das Unmögliche aus, bis Clemira ihre Aufmerksamkeit jäh auf sich zerrte.
„Ummi!“
Amy riss die Lider hoch und schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass niemand es gehört hatte. Und nur für den Fall, dass dem so sein sollte, folgte Nakia wie immer dem Beispiel der Anführerin.
„Ummi!“
„Amy!“, verbesserte sie laut hörbar, und Tränen traten ihr in die Augen. Ihr Herz zog sich zusammen, als die Zwillinge sich jedoch nicht davon abbringen ließen, das arabische Wort für „Mummy“ zu nutzen.
Mit zitternden Händen hob sie Clemira auf den Arm. „Ich werde die beiden für die Reise fertig machen“, sagte sie und war endlos dankbar, als Natasha ebenfalls aufstand und Nakia hochhob.
Natasha war die perfekte Gastgeberin. Sie hatte den Fauxpas der Mädchen sofort bemerkt. Um die Situation so gut wie möglich zu entspannen, folgte sie Amy aus dem Speisesaal. Als diese jedoch an Emir vorbeigehen musste, sah sie seine Miene. Sein Gesicht war düster wie heraufziehende Gewitterwolken. Amy war sicher, dass es nachher tatsächlich ein Gewitter von ihm geben würde.
Die Erkenntnis, dass es immer unmöglicher wurde, so weiterzumachen wie bisher, war überdeutlich. Sobald sie das Kinderzimmer erreicht hatten, wünschte Amy, Natasha würde wieder gehen, denn sie war den Tränen nahe.
„Ich werde zurückgehen und es ihnen erklären.“ Natasha blieb pragmatisch. „Ich kann mir vorstellen, wie schwierig es manchmal sein muss, aber die Worte klingen ja wirklich sehr ähnlich …“ Sie wollte die Dinge wieder richten und wünschte sich, Amy würde sich ihr anvertrauen, denn das Einzige, was in ihrem Leben fehlte, war eine Freundin. „Und es ist eigentlich auch natürlich, dass die Mädchen Sie für ihre Mutter halten.“
„Ich bin aber nicht ihre Mutter.“
„Ich weiß.“ Natasha meinte den Grund für Amys Tränen zu
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