Julia Extra Band 373
hatte sich Hals über Kopf in Vito verliebt. Er war zehn Jahre älter als sie, erwachsen und ein Geschäftsmann mit Killerinstinkt. Leider nahm ihr Traummann keinerlei Notiz von ihr. Jedenfalls nicht so, wie sie es sich erhoffte. Zweifellos fragte er sich, was sein Bruder an diesem Gothic Girl fand. Cool versuchte sie zu verbergen, dass sie schwer beeindruckt von dem pompösen Schloss war, in das Olly sie eingeladen hatte und das Vito gehörte.
„Ava?“
Erschrocken wirbelte sie herum und begegnete Karen Harpers forschendem Blick. „Sie haben gar nicht erwähnt, dass Sie Mr Barbieri kennen“, sagte die Büromanagerin vorwurfsvoll.
„Mein Vater arbeitet für sein Unternehmen, und wir waren praktisch Nachbarn“, erklärte Ava unsicher.
Die Brünette verzog den Mund. „Versprechen Sie sich davon bloß keine bevorzugte Behandlung! Mr Barbieri erwartet Sie. Und wenn Sie schon mal da sind, können Sie auch gleich die Tassen abräumen.“
„Ja. Ich wusste nicht, dass er hier … arbeitet.“
„Mr Barbieri hat AeroCarlton letzte Woche übernommen. Er ist Ihr Arbeitgeber.“
„Ach so.“ Ava rang sich ein höfliches Lächeln ab (reine Verschwendung an die Frau, die sie ärgerlich anstarrte) und machte sich auf den Weg. Ihr war elend zumute. Ganz offensichtlich wurde sie noch immer vom Pech verfolgt. Wie sonst war es zu erklären, dass ausgerechnet der Mann ihr Boss sein musste, der sie viel lieber bis zum Ende ihrer Tage hinter Gittern gesehen hätte?
Als Ava in die Höhle des Löwen zurückkehrte, lehnte Vito am Tisch, hielt ein Handy ans Ohr und erteilte in schnellem Italienisch Anweisungen.
Sie nutzte die Zeit, um den Teewagen zu beladen, wurde jedoch abgelenkt durch Vitos blendende Erscheinung. Sein maßgeschneiderter Anzug brachte die breiten Schultern und die schmalen Hüften ausgezeichnet zur Geltung. Das blütenweiße Hemd betonte den mediterranen Teint, die goldfarbene Seidenkrawatte nahm die Farbe seiner faszinierenden Augen auf. Vito sah wirklich atemberaubend gut aus mit den hohen Wangenknochen, der prägnanten Nase, den dichten dunklen Brauen und den sinnlichen Lippen. Noch immer trat er sehr selbstbewusst auf und strotzte nur so vor Energie.
Ollys großer Bruder, dachte Ava wehmütig. Hätte sie damals doch nur auf Olly gehört, dann wäre ihr bester Freund vielleicht noch am Leben.
„Hör auf, mit Vito zu flirten und dich ihm an den Hals zu werfen!“ Das waren Ollys warnende Worte an dem schicksalhaften Abend gewesen. „Du bist nicht sein Typ und viel zu jung für ihn. Vito würde dich zum Frühstück verspeisen. Er hat einen ziemlichen Frauenverschleiß.“
Damals stand Vito auf schlanke, elegante, weltgewandte Blondinen. Es hatte sie fast zerrissen, dass sie diesem Typus nicht entsprach und Vito unerreichbar für sie war. Nur als Teenager konnte man derart besessen von seinem Traummann sein wie sie von Vito Barbieri.
Jede Information über ihn hatte sie förmlich aufgesogen. Vito liebte Schokolade und unterstützte medizinische Hilfsprojekte für Kinder in der Dritten Welt. Er hatte eine schwierige Kindheit hinter sich, denn seine Eltern hatten sich getrennt, und danach war sein Vater zum Trinker geworden und hatte sich in eine Affäre nach der anderen gestürzt. Vito liebte und sammelte schnelle Autos. Ach ja, und er hasste es, zum Zahnarzt zu gehen. Dabei hatte er perfekte Zähne.
„Wir unterhalten uns nebenan in meinem Büro“, sagte Vito nun, nachdem er das Telefongespräch beendet hatte, und öffnete die Tür. „Jetzt lass doch den verfluchten Teewagen!“
Ava zuckte zusammen und errötete verlegen, was Vito mit Verwunderung feststellte. Beim Anblick der rosigen Wangen und der vollen, unglaublich einladenden Lippen wurde ihm plötzlich heiß.
Lange verdrängte Erinnerungen tauchten vor seinem geistigen Auge auf. Ava in einem silbrig schimmernden Minikleid, das ihre endlos langen Beine fantastisch zur Geltung brachte. Vito atmete einige Male tief durch. Der Geschmack von Avas Mund. Ihre Hände auf seinem Oberkörper. Die personifizierte Versuchung. Und strengstens verboten. Aber er hatte sich über das Verbot hinweggesetzt, obwohl er sich sonst immer an die Regeln hielt. Okay, es war nur ein Kuss gewesen, doch der hätte nie geschehen dürfen, denn die dramatischen Folgen hatten Vitos Familie zerstört.
Er blinzelte die unwillkommenen Bilder weg und stand stocksteif da. Ich werde sie feuern müssen, dachte er. Unmöglich, mit ihr unter einem Dach zu arbeiten. Und für
Weitere Kostenlose Bücher