Julia Extra Band 373
nichts? „Du hast mich nicht verärgert, aber ich habe meine Gäste schon lange genug warten lassen. Bist du bereit?“
„Ja, obwohl ich mich innerlich darauf vorbereite, von allen anderen anwesenden Frauen gehasst zu werden, weil ich mit dem heißesten Typen dieses Planeten auf der Party auftauche. Aber als Tochter von Stavros Antaxos ist man daran gewöhnt, keine Freunde zu haben.“
Trotz ihres bewusst lockeren Tons, dachte Stefan sofort an jene Party auf der Yacht ihres Vaters, als er sie tapfer lächelnd, aber einsam in einer Ecke gefunden hatte. Wie rührend dankbar war sie ihm gewesen, als er sich zu ihr gesetzt und sich mit ihr unterhalten hatte. „Freundschaft wird gemeinhin überschätzt“, meinte er abwiegelnd. „Wenn dir jemand seine Freundschaft anbietet, will er gewöhnlich auch etwas von dir.“
„Das glaube ich nicht.“
„Du meinst, du willst es nicht glauben. Du bist hoffnungslos idealistisch.“ Er hielt ihr die Tür auf. „Geld verändert alles. Gewöhnlich stellt es eine zu große Versuchung für die Menschen dar.“ Während er es aussprach, spürte er die alten Narben schmerzen. „Du solltest es dir für die Zukunft merken, damit du nicht verletzt wirst.“
„Ist es das, was dich in deiner Art zu leben bestimmt? Der ständige Versuch, dich davor zu schützen, dass du verletzt wirst?“
Er fragte sich, warum jedes Gespräch mit ihr im Handumdrehen an so tiefen Wahrheiten schürfte. „Ich lebe mein Leben, wie ich es will. Und im Moment würde ich gern an meiner eigenen Party teilnehmen. Sollen wir los?“
Alle Blicke waren auf sie gerichtet, manche offen, andere eher diskret. In allen Augen spiegelte sich die gleiche Reaktion: Schock.
Selene, die sich wie ein eingesperrter Vogel fühlte, der plötzlich in die Freiheit entlassen worden war, nahm sich ein weiteres Glas Champagner.
„Bist du sicher, dass du das trinken solltest?“, fragte Stefan skeptisch.
„Weißt du, was das Beste an diesem Abend ist? Dass ich alles ganz allein entscheide. Ich habe mich entschieden, an der Party teilzunehmen, welches Kleid ich anziehen möchte … und jetzt entscheide ich mich, Champagner zu trinken.“
„Gut, solange dir klar ist, dass du dich auch dafür entscheidest, morgen entsetzliche Kopfschmerzen zu haben.“
„Das wird es wert sein.“ Sie trank das Glas halb leer und lächelte ihn an. „Mit Champagner fühlt sich alles noch aufregender an, nicht wahr?“
„Mit dem zweiten Glas noch. Nach dem dritten bezweifle ich allerdings, ob du dich später noch an genug erinnern wirst, um es aufregend zu finden. Deshalb rate ich dir, zu Orangensaft zu wechseln.“
„Wenn ich vom Champagner wirklich Kopfschmerzen bekomme, will ich auch das allein herausfinden.“
„Ich werde dich daran erinnern, wenn du morgen stöhnend im Bad hockst.“
Sie lachte ihn an, ohne an die vielen Zuschauer zu denken. „Wie viele Gläser Champagner musst du trinken, bevor du mich in aller Öffentlichkeit küsst?“
Seine Augen leuchteten auf. „Dafür muss ich nicht betrunken sein, koukla mou .“
„Wenn das so ist …“, Selene fasste ihn beim Revers seines Smokings und schloss die Augen, „… küss mich.“ Nur für den Fall, dass es nie wieder passierte. Nur für den Fall, dass es ihre einzige Chance bliebe, einen Mann wie ihn zu küssen.
Sie wartete mit angehaltenem Atem. Aber er küsste sie nicht. Gerade als sie glaubte, es würde der demütigendste Moment ihres Lebens werden, fühlte sie, wie Stefan sacht ihr Kinn umfasste. Zögernd öffnete sie die Augen.
Er ließ die Finger durch ihr Haar gleiten und zog sie zu sich heran. „Was ist das nur mit dir? Ich sollte weggehen, aber ich kann nicht.“
Heißes Verlangen wallte in ihr auf. „Ich halte mich an deiner Jacke fest. Vielleicht ist das der Grund.“
Er lächelte nicht, sondern sah sie nur schweigend an.
Wie gebannt schaute Selene ihm in die dunklen Augen, als er sich langsam herabbeugte. Sie hatte das Gefühl, als würde sein Blick bis in ihr Innerstes vordringen, und glaubte, die sehnsüchtige Erwartung nicht länger ertragen zu können. Endlich spürte sie seinen Atem warm auf ihren Lippen und schmiegte sich bereitwillig an ihn, als er sie zu sich heranzog.
Und plötzlich war es kein harmloser Flirt mehr, sondern Ernst. Selene begriff, dass die Entscheidung, sich von diesem Mann in die Kunst der Liebe einführen zu lassen, in etwa so war, als würde man sich als Haustier einen Tiger zulegen. Stefan Ziakas hatte nichts Zahmes oder
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