Julia Extra Band 375
durchaus zu schätzen.“
„Das ist lange her. Zum Glück bin ich seitdem erwachsen geworden, mein Geschmack hat sich verfeinert. Neandertaler lassen mich kalt.“
„Dann musst du dich aber wirklich sehr verändert haben. Ich habe nie wieder eine Frau kennengelernt, die so von männlicher Dominanz angetörnt war wie du“, zog er sie mit seidenweicher Stimme auf.
Bei seinen Worten wurde Justina von lange verdrängten Erinnerungen überschwemmt. Daran, wie Dante sie küsste. Wie Dante in sie stieß.
Wie Dante es auch mit anderen Frauen machte …
Sie hätte am liebsten laut geschrien. Sie wollte auf ihn einschlagen, fragen, warum er das getan hatte … warum ? Aber sie würde sich hüten. Weil es völlig sinnlos war, die Vergangenheit wiederaufleben zu lassen. Das alles lag hinter ihr, sie lebte jetzt . Sie hatte ihre Zukunft noch vor sich, eine Zukunft, in der er keine Rolle mehr spielte.
Und jetzt musste sie sofort weg von hier.
Justina fixierte einen unsichtbaren Punkt über seiner Schulter und verzog den Mund zu einem Lächeln, als ob sie hinter ihm gerade einen Bekannten entdeckt hätte. Um Zeit zu schinden, die sie benötigte, um ihre Fassung wiederzufinden. Und als sie ihm wieder in die dunklen Augen schaute, gelang es ihr tatsächlich, so etwas wie Gleichmut vorzutäuschen.
„Du darfst es wirklich nicht zulassen, dass ich dich noch länger mit Beschlag belege, Dante. Wo es hier doch bestimmt jede Menge Leute gibt, die es gar nicht erwarten können, in den Genuss deiner Aufmerksamkeit zu kommen. Wie zum Beispiel die junge Dame da drüben, die schon die ganze Zeit verzweifelt versucht, irgendwie aufzufallen. Ich wette, dass es mit ihr heute noch zum Vollzug kommt.“
Damit wandte sie sich ab, wobei sie betete, dass er nicht versuchen würde, sie aufzuhalten. Und der Himmel hatte ein Einsehen. Sie registrierte, wie Dante kurz die Augen zusammenkniff, als sie auf dem Absatz kehrtmachte und sich in Sicherheit brachte. Ihr war, als würde sich sein Blick wie ein glühender Pfeil in ihren Rücken bohrte. Ihre Hände zitterten, ihr Herz raste, und einen Moment lang überlegte sie, ob sie nicht besser sofort von hier verschwinden sollte.
Aber das konnte sie Roxy unmöglich antun, nachdem sie sich jahrelang aus den Augen verloren hatten. Sie drehte das Gesicht weg, als ihr ein Paparazzo mit Kamera im Anschlag entgegenkam, und stieß einen zitternden Seufzer aus. Sie musste sich einfach nur wie ein erwachsener Mensch benehmen, dann würde sie den Tag schon heil überstehen. So schwierig konnte es schließlich nicht sein, Dante aus dem Weg zu gehen, außerdem würde er bestimmt nicht lange bleiben.
Sie bestieg einen der roten Doppeldeckerbusse, die bereitstanden, um die Hochzeitsgäste zum Familiensitz des Bräutigams zu transportieren, und suchte sich einen Platz. Der Bus holperte über die engen Landstraßen Norfolks, bevor er das schwere Tor passierte, hinter dem sich am Ende einer langen, mit Kies bestreuten Auffahrt das Anwesen des Dukes erhob. Als das Fahrzeug vor dem Eingang anhielt, blickte Justina mit vor Ehrfurcht angehaltenem Atem auf das beeindruckende palastartige Gebäude, das sie bereits aus Roxys lebhaften Schilderungen kannte.
Die inmitten einer grünen Parklandschaft gelegene Valeo Hall wurde von zwei zähnefletschenden Bronzelöwen auf hohen Steinsockeln bewacht. Ein von mächtigen Säulen flankierter Treppenaufgang führte zu einem wuchtigen Eichenportal, das mit denselben duftenden weißen Blüten geschmückt war wie die Tür der Kathedrale. Nachdem Justina aus dem Bus gestiegen war, nahm sie den Blütenduft tief in sich auf. Glückliche Roxy, dachte sie. Für Roxy begann jetzt ein neues Leben. Justina verspürte einen kleinen Stich von Neid, aber das war doch nur menschlich, oder?
Sie reihte sich in die Schlange der Gratulanten ein und wartete geduldig, bis sie an der Reihe war. Nachdem sie den beeindruckend gut aussehenden Duke kurz umarmt hatte, fühlte sie sich eine Sekunde später in eine duftige Wolke aus Tüll und weißer Spitze eingehüllt.
„Oh, Jus!“ Roxy strahlte übers ganze Gesicht. „Wie schön, dass du gekommen bist. Und wie fandest du die Trauung?“
„Wunderschön. Und du siehst wunderschön aus. Du bist die schönste Braut, die ich je gesehen habe. Aber du hast mir gar nicht erzählt, dass Dante auch kommt“, fügte Justina flüsternd hinzu.
„Hätte ich?“ Roxy lächelte verschwörerisch, fast so, als wären sie beide wieder neunzehn. „Ich dachte mir
Weitere Kostenlose Bücher