Julia Extra Band 375
bewegte Justina sich geschmeidig wie eine Raubkatze den breiten Mittelgang der Kathedrale von Norwich hinunter in Richtung Altar, wo gleich die Sängerin ihrer ehemaligen Band getraut werden sollte. Sie trug ein orientalisch anmutendes, mit Drachen und Blumen besticktes Kleid aus elfenbeinfarbenem Satin, das auf den ersten Blick fast züchtig wirkte. Doch dann sah Dante den langen Schlitz an der Seite, der bei jedem Schritt auf ihren High Heels für einen quälenden Sekundenbruchteil ein langes nacktes Bein enthüllte.
Dante wurde von unerwünschtem Verlangen überschwemmt, dicht gefolgt von wütender Empörung. Sie machte sich also immer noch wie eine puttana zurecht. Und genoss die begehrlichen Blicke fremder Männer, die sich irgendetwas über diese Frau mit dem sündigen Körper und dem seelenvollen Gesicht eines dunklen Engels zusammenfantasierten …
Doch sein Verlangen war stärker als seine Wut. Er ließ Justina nicht aus den Augen, bis sie in einer der vorderen Bankreihen Platz nahm. Plötzlich konnte er nur noch daran denken, wie lange es her war. Fünf endlose Jahre hatte er sie nicht mehr gesehen. Eigentlich lange genug, um gegen ihre raubtierhafte Ausstrahlung immun zu werden, sollte man meinen. Aber warum dann jetzt dieses irre Herzklopfen? Und – weit katastrophaler noch – warum wurde er so hart, dass er sich das Blatt mit den Liedertexten sorgsam auf dem Schoß drapieren musste?
Als die Zeremonie begann, versuchte er an etwas anderes zu denken, doch weit kam er nicht. Vor allem, weil das ganze Ritual auch noch viel länger zu dauern schien als üblich. Was wahrscheinlich daran lag, dass der Bräutigam erst vor Kurzem in den Stand eines Dukes erhoben worden war. Und so purzelten in Dantes Kopf längst vergessen geglaubte Bilder wild durcheinander.
Justina, die sich zwischen zerwühlten weißen Laken unter ihm wand.
Justina mit ihrem pechschwarzen Haar, der blassen Magnolienhaut und den aufregenden bernsteinfarbenen Augen.
Er konnte fast die süße Enge ihres Körpers wieder spüren. Und sah diese betörenden kleinen Nippel vor sich, wie geschaffen dafür, um vom Mund eines Mannes verwöhnt zu werden. Ärgerlich schüttelte er den Kopf. Konnte er nicht endlich den einzigen schwerwiegenden Fehler seines Lebens ein für allemal hinter sich lassen, den einzigen Makel in seinem ansonsten makellosen Leben? Er hatte Vorfahren, auf die er stolz sein konnte. Darunter waren Gelehrte, Generäle und Diplomaten gewesen, alter Adel mit viel Land und wenig Geld.
Doch seit Dante die Familiengeschäfte übernommen hatte, entwickelten sich auch die Finanzen ausgesprochen positiv.
Heute besaß die Familie D’Arezzo außer einem großen Weingut bei Florenz fast überall auf der Welt ausgedehnte Ländereien. Dante hatte alles, was sich ein Mann nur wünschen konnte, dennoch war sein Herz seltsam leer.
Jetzt läuteten die Kirchenglocken triumphierend das Ende der Zeremonie ein. Und dann schwebte Roxy Carmichael, eingehüllt in eine weiße Wolke aus Tüll und perlenbestickter Seide, am Arm ihres frischgebackenen Ehemanns den Mittelgang hinunter. Dante schüttelte ungläubig den Kopf. Wer hätte das gedacht? Als er Roxy zum letzten Mal gesehen hatte, war sie, nur mit einem handbreitem Stück Glitzerstoff bekleidet, über eine riesige Bühne gewirbelt.
Roxy, Justina und Lexi hatten sich die „Lollipops“ genannt, die aufregendste Girl-Band der Welt. Und er war eine ganze Weile mehr als nur ein ganz normaler Fan gewesen.
Dante blieb noch sitzen, wartete, während sich die Kathedrale langsam leerte. Wie würde Justina reagieren, wenn sie ihn hier sah? Ob sie ihre Entscheidung jemals bereut hatte? Diese Entscheidung, die schließlich zum Bruch ihrer Verlobung geführt hatte? Gestern Abend hatte er nicht widerstehen können, eine Internetsuche nach ihr zu starten. Da hatte er erfahren, dass sie immer noch unverheiratet und kinderlos war. Mit fast dreißig. Wurde es da nicht langsam Zeit für ein Kind? Ein hartes Lächeln zuckte um seine Mundwinkel. Justina doch nicht! Was sollte Justina mit einem Kind? Ihre Karriere bedeutete ihr alles. Absolut alles.
Sein Blick scannte ihr blasses Gesicht ab, während sie auf ihn zukam. Als sie ihn entdeckte, erstarrte sie. Er schaute ihr in die ungläubig aufgerissenen bernsteinfarbenen Augen, die jetzt fast golden wirkten, weil sie noch blasser geworden war. Sah in den Tiefen dieser Augen etwas aufblitzen, das er nicht einordnen konnte. Und auch nicht einordnen wollte, weil
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