Julia Extra Band 375
Beziehungsgespräche wie die Pest. Nun befand er sich mittendrin. Natürlich war er an Sex interessiert. Na und? Das gehörte doch zum Leben dazu. Leider nicht zu Kats Leben, wie er inzwischen hatte einsehen müssen. Die lange Abstinenz ging ihm zunehmend auf die Nerven.
„Mich haben schon viele Frauen ausgenutzt“, erzählte er zynisch. „Sie wollten Sex oder Geld. Einige wollten auch meine guten Beziehungen ausnutzen. Das passiert nun mal. Man kann sich nicht vor allem schützen. Jeder muss seine eigenen Erfahrungen machen.“
Kat musterte ihn verblüfft. War auch Mikhail tatsächlich vom anderen Geschlecht ausgenutzt worden? Das hätte sie niemals für möglich gehalten. Aber wenn er es sagte … Eine Sache beschäftigte sie aber noch mehr. Sie hatte zugegeben, von einem Mann mehr als nur Sex zu wollen. Hoffentlich hatte Mikhail die Bemerkung überhört! Er durfte nicht wissen, dass sie fortwollte, weil sie ganz neue Gefühle in sich entdeckt hatte, die sie lieber für sich behalten wollte, bevor sie verletzt werden konnte.
Mikhail betrachtete ihr blasses, angespanntes Gesicht und fasste einen Entschluss, den er sofort umsetzte. Er hob Kat hoch und setzte sie auf ein Ledersofa, das hinter ihr stand, dann nahm er selbst Platz. „Erzähl mir, wieso du immer noch unter dem Einfluss deiner Mutter stehst, Kat.“ Er kam sich sehr gönnerhaft vor, ihr diese Gelegenheit zu bieten. Normalerweise hätte er sich nicht für Familiengeschichten interessiert, aber wenn es ihm dadurch gelang, Kat davon abzuhalten, ihn zu verlassen, sollte es ihm recht sein. Vielleicht klärte sich ja auch auf, wieso Kat ihm ständig widersprüchliche Signale sandte. Er sprang kurz auf, lief zur Tür, um Stas einen Auftrag zu geben, dann ließ er sich wieder neben ihr aufs Sofa fallen.
Bilder ihrer Kindheit liefen vor Kats geistigem Auge ab. Normalerweise unterdrückte sie jeden Gedanken an ihre Mutter, denn auch jetzt noch schmerzte es sie, wie gleichgültig Odette ihr begegnet war. Odette hatte sich immer als Opfer gesehen, und Kat hatte schon als Kind viel zu viele Eindrücke von dem komplizierten Liebesleben ihrer Mutter mitbekommen. Irgendwann hatte sie die verstörenden Erinnerungen verdrängt und sich auf ihr eigenes Leben konzentriert. Aus jetziger Sicht stellte sich vieles anders dar. Zu dumm, dass sie das nicht eher erkannt hatte.
„Kat?“ Beunruhigt musterte er ihre ausdrucksvolle Miene. Besonders die tieftraurigen Augen bereiteten ihm Sorgen. Mikhail wollte unbedingt wissen, was los war. Doch seine Geduld wurde auf eine weitere Probe gestellt, als es klopfte und Getränke serviert wurden.
Dankbar, etwas in der Hand zu halten, hob Kat das Glas und benetzte ihre Lippen mit dem prickelnden Champagner, bevor sie auf Mikhails Aufforderung reagierte. „Meine Mum – Odette – war ein erfolgreiches Model, aber leider kein sehr netter Mensch. Wir haben ein sehr unruhiges Leben geführt, weil sie ständig wechselnde Beziehungen hatte“, erzählte sie stockend. Eigentlich ging ihn das ja gar nichts an. „Meinen Dad hat sie geheiratet, um versorgt zu sein. Sobald sie Erfolg in ihrem Beruf als Model hatte, hat sie sich wieder scheiden lassen. Den Vater meiner Zwillingsschwestern hat sie verlassen, als er in Konkurs ging. Doch mir gegenüber hat sie es während meiner Kindheit und Jugend so dargestellt, dass es die Männer waren, die sie enttäuscht und nur benutzt haben. Erst jetzt erkenne ich, dass es in den meisten Fällen genau umgekehrt war.“
Mikhail senkte die seidig schwarz bewimperten Lider, um seine Ratlosigkeit zu verbergen. „Und was hat das mit unserer Situation zu tun?“
„Gar nichts“, musste Kat beschämt zugeben. Es war ihr peinlich, erst jetzt erkannt zu haben, wie sie sich vom Selbstmitleid ihrer Mutter hatte in die Irre führen lassen. Odette hatte geglaubt, dass es gleich zu einer Beziehung kommen würde, wenn sie mit einem Mann schlief, und dass er sie heiraten musste, wenn sie schwanger wurde. Diese Oberflächlichkeit hatte dazu geführt, dass keine Beziehung ihrer Mutter lange gehalten hatte.
„Möchtest du immer noch nach England zurückfliegen?“
Unsicher sah sie Mikhail in die wunderschönen Augen. Er ist wirklich ausgekocht, dachte sie, denn er hat den Augenblick perfekt gewählt, um mir diese Frage zu stellen. Offenbar spürte er, dass sie ihn gar nicht verlassen wollte. Nicht, bevor sie ihn näher kennengelernt hatte.
Ihr war nicht bewusst gewesen, dass sie davongelaufen war, weil sie
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