Julia Extra Band 377
Innenhof, bevor sie schließlich auf Zehenspitzen die Treppe bis hinunter ins Souterrain ging. Hier befanden sich Rollwagen mit Reinigungsmitteln. Offensichtlich war hier unten das Personal untergebracht.
Aus der einen Richtung drang das Klirren von Geschirr an ihr Ohr. Das musste die Küche sein. Saffy machte einen weiten Bogen darum. Durch eine einladend offen stehende Hintertür entdeckte sie eine Reihe staubiger Fahrzeuge auf dem Hof und fragte sich, ob einer der Fahrer vielleicht den Zündschlüssel hatte stecken lassen. Sie brauchte auf jeden Fall einen Wagen, zu Fuß hatte sie in der Wüste keine Überlebenschance.
Kurz entschlossen lief sie hinaus und entdeckte am anderen Ende des Innenhofs einen Jeep voller Soldaten. Erschrocken ging sie schnell in Deckung. Vermutlich handelte es sich um Zahirs Leibgarde. Gebückt schlich sie um den ersten Wagen herum und riskierte einen Blick hinein. Kein Zündschlüssel. Auch im danebenstehenden Jeep steckte der Schlüssel nicht.
Inzwischen waren die Soldaten im Gebäude verschwunden, und Saffy setzte ihre Suche nach einem Wagen fort, den sie ‚ausleihen‘ konnte. Sie musste sich wieder schnell ducken, denn aus der Küche näherten sich zwei Angestellte, die sich laut unterhielten. Der jüngere Mann warf seine Tasche in den Pritschenwagen und setzte sich ans Steuer. Offensichtlich wollte er nach Hause, also vermutlich in die Stadt. Saffy überlegte blitzschnell, was sie tun sollte. Wenn sie selbst am Steuer eines Wagens sitzen würde, käme sie nur bis zum Tor. Spätestens dort würden die Wachen sie aufhalten und zurückbringen. Sie musste sich also in einem Wagen verstecken, der von einem der Angestellten gefahren wurde. Bevor sie der Mut verließ, kletterte Saffy auf die Ladefläche und versteckte sich unter der Plane.
Bange Minuten vergingen, denn statt loszufahren, stieg der Fahrer wieder aus, als jemand ihm etwas zurief. Ängstlich versuchte Saffy, dem Gespräch zu folgen, war jedoch überfordert, weil es in rasantem Arabisch geführt wurde. Dazu reichten ihre Sprachkenntnisse nicht aus. Schließlich entfernten sich Schritte, und sie hörte, wie der Fahrer sich wieder ans Steuer setzte und den Motor anließ.
Erleichtert atmete sie auf, als der Wagen sich endlich in Bewegung setzte. Natürlich wurde Saffy auf dem holprigen Weg kräftig durchgeschüttelt. Doch einige Prellungen konnte sie wohl verschmerzen. Hauptsache, sie war Zahirs Fängen entkommen.
Was war nur in ihren Exmann gefahren? Die Ehe war eine Katastrophe gewesen. Wollte er so etwas wirklich noch einmal erleben?
Die Antwort lag auf der Hand: Fehler waren Zahir ein Gräuel. Sein herzloser Vater hatte Bestleistungen von ihm verlangt und ihn für jeden Misserfolg bestraft. Offensichtlich beabsichtigte Zahir, einen Fehler aus der Vergangenheit zu korrigieren. Wieso sah er nicht, dass dies ein Ding der Unmöglichkeit war? Menschen veränderten sich, entwickelten sich weiter …
Nur du nicht, erinnerte sie ihre innere Stimme. Tatsächlich war Saffy immer noch Jungfrau. Da lag sie nun auf der rostigen Ladefläche eines schaukelnden Wagens und dachte wehmütig an ihre erste Begegnung mit Zahir …
Damals arbeitete sie in der Kosmetikabteilung eines Kaufhauses. Statt zu studieren wie ihre Zwillingsschwester, wollte Saffy nach dem Schulabschluss gleich Geld verdienen. Achtzehn Jahre alt war sie gewesen, als Zahir seine Schwester nach London begleitet hatte. Hayats Hochzeit stand bevor, und eine Brautausstattung musste her. Saffy erinnerte sich noch genau, wie ihr fast das Herz stehen geblieben war, als Zahir sie zum ersten Mal mit seinem hypnotisierenden Blick angeschaut hatte. Golden schimmernde, von dichten schwarzen Wimpern umkränzte Augen, die sie sofort in ihren Bann gezogen hatten. Während Hayat sich mit Kosmetika eindeckte, starrten Zahir und Saffy einander reglos an. Die gegenseitige Anziehungskraft war erregend und beängstigend zugleich. Weder vorher, noch nachher hatte Saffy je wieder so starke Gefühle für einen anderen Menschen empfunden.
„Ich hole dich nach Feierabend hier ab“, hatte Zahir ihr zugeraunt.
Er hatte sich als Heeresoffizier aus Maraban vorgestellt, seine aristokratische Herkunft jedoch für sich behalten. Von Maraban hatte Saffy noch nie etwas gehört und recherchierte zu Hause erst mal im Internet.
Ihre Mutter Odette, bei der sie damals vorübergehend wohnte, hatte nur abfällig gelacht. „Die Mühe kannst du dir sparen. In ein paar Tagen ist der sowieso wieder fort,
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