JULIA FESTIVAL Band 76
trafen ihn wie ein Schlag in die Magengrube.
Cynthia versuchte zu lächeln. „Trotz allem glaube ich immer noch, dass du ein wundervoller Mann bist. Gut und warmherzig, intelligent und geduldig. Du wirst Colton ein großartiger Vater sein.“
Er starrte sie an. Konnte sie denn nicht begreifen, dass er all die Schicksalsschläge in seinem Leben überstanden hatte, weil er sich immer nur auf sich selbst verlassen hatte? Doch sie wollte die Regeln ändern und in sein Leben eindringen. Wenn sie das schaffen sollte, hätte sie ihn in der Hand. Wenn er sie brauchte, könnte sie ihn verlassen und ihn vernichten.
„Du kannst mich nicht lieben“, sagte er kalt. „Du weißt nämlich überhaupt nichts von mir. Ich bin nichts als ein mieser Schuft. Das hättest du schon vor langem lernen sollen.“
Er ging zu ihr und sah ihr in die Augen. „Ich will, dass du noch heute mein Haus verlässt“, sagte er klar und deutlich. „Wenn ich heute Abend zurückkomme, hast du mir einen angemessenen Ersatz beschafft und all deine Sachen mitgenommen. Dafür werde ich mich für ein Kindermädchen bis Ende der Woche entscheiden.“
13. KAPITEL
Ein altes Sprichwort besagt, dass man sich gut überlegen soll, was man sich wünscht – es könnte in Erfüllung gehen. Jonathan dachte gerade darüber nach, als er abends in seinem Arbeitszimmer saß und an einem Brandy nippte. Doch auch die brennende Flüssigkeit konnte das Gefühl der Leere in ihm nicht auffüllen.
Das Haus war genauso, wie er es mochte – ruhig, kalt. Er hätte sich jetzt ganz zu Hause fühlen sollen, doch das war nicht der Fall. Er fühlte sich, als hätte er die ganze Welt verloren, und nichts würde jemals wieder gut werden.
Lächerlich, sagte er zu sich selbst. Das neue Kindermädchen, Mrs. Miller, schien sehr erfahren und kompetent zu sein. Sie hatte ihm erzählt, dass sie Witwe war und sieben Enkelkinder hatte. Mit Babysitten verdiente sie sich ein wenig Taschengeld dazu und kam so ab und zu aus dem Haus. Ihr harmloses Geplauder half ihm dabei, sich vorzumachen, dass alles in bester Ordnung sei. Das war so lange gut gegangen, bis Colton im Bett lag und die erfahrene Mrs. Miller gegangen war. Erst dann suchten ihn Gespenster auf.
Eine junge Frau spukte in seinem Kopf umher, die es irgendwie geschafft hatte, in seiner scheinbar so abgeschlossenen Welt einen Platz zu erobern. Der Klang ihres Lachens hallte durch die stillen Räume, und er hätte schwören können, dass er ihre Schritte im Haus hörte und ihr süßer Duft seine Nase kitzelte. Er hielt sein Brandyglas in der Hand und dachte an ihren warmen Körper statt an kaltes Glas. Sie hatte seine Anweisungen befolgt und seine Welt verlassen, und dennoch konnte er ihre Nähe umso intensiver spüren.
Jonathan schloss die Augen und sagte sich, dass jetzt alles wieder gut werden würde. Er hatte das, was er wollte – nun war er nur noch für sich selbst verantwortlich.
Doch das stimmte nicht. Oben schlief ein kleines Kind – mit Davids und Lisas Tod hatte er die Verantwortung für seinen Neffen bekommen. Von jetzt an bis zu seinem Lebensende musste er sein Leben so planen, dass Colton Steele einen Platz darin hatte.
Ein Baby. Bald würde der Tag kommen, an dem Colton laufen lernte und sprechen konnte. Er würde groß werden und zur Schule gehen. Jonathan würde ihm beim Lesen lernen helfen müssen und mit ihm Sport treiben. Elternabende, Familienferien, und schon bald würde er mit Colton über Mädchen, Sex und Karriere sprechen. Er würde Colton das Autofahren beibringen.
Jonathan machte die Augen auf und starrte in die Dunkelheit. Er konnte sich gar nicht als Vater vorstellen. Alles, was er kannte, war Einsamkeit, doch Cynthia hatte gesagt, dass Colton Liebe brauchte.
Jonathan seufzte und lehnte den Kopf an den Sessel. Noch nie hatte er sich so allein gefühlt. Er vermisste Cynthia so sehr, dass es wehtat.
Und doch musste er einen Weg finden, ohne sie weiterzuleben. Denn wenn er sich die Schwäche gestattete, Cynthia aus ganzem Herzen zu lieben, könnte er es nicht ertragen, wenn sie eines Tages wegginge. Und sie würde ihn bestimmt irgendwann verlassen. Jeder wichtige Mensch in seinem Leben hatte das bisher getan.
Cynthia hatte sich in den einzigen Sessel ihres Zimmers gekuschelt. Ihr winziges Zimmer, in das kaum ihr Bett, der kleine Schreibtisch und die Bücherregale hineinpassten, war in den letzten zehn Jahren ihr kleines Reich gewesen. Sie liebte diesen Raum. Doch jetzt hätte sie in einem anonymen
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