JULIA FESTIVAL Band 76
Geschäftsräume im dritten Stock. Als Jonathan eintrat, lächelte ihn die junge Dame vom Empfang an. „Sie müssen Mr. Steele sein. Cynthia erwartet Sie schon. Wenn Sie mir bitte folgen?“
Drei Stunden später schloss die letzte Bewerberin die Tür hinter sich, und Cynthia lehnte sich erschöpft in ihren Schreibtischstuhl zurück. Sie hatte das Gefühl, soeben eine Marathonstrecke gerannt zu sein. „Das war die Letzte“, sagte sie zu Jonathan.
„Ich würde sagen, es gibt zwei ernsthafte Bewerberinnen“, erwiderte Jonathan und blickte von seinem Notizblock auf. Cynthia schien nicht am Boden zerstört zu sein, weil sie die Stellung bei ihm aufgeben sollte, warum sollte er dann zeigen, wie sehr er sie vermissen würde? Er hatte beschlossen, seine Gefühle nicht zu zeigen. „Ich hätte nicht geglaubt, dass wir gleich beim ersten Mal so weit kommen würden, und ich bin beeindruckt, wie viele qualifizierte Frauen du mir vorgestellt hast.“
Cynthia nickte, ohne sich über das Kompliment freuen zu können. Doch an diesen Nachmittag stimmte irgendetwas nicht. Sie fand den Gedanken ganz unerträglich, dass eine andere Frau in ihr Zimmer einziehen sollte, sich um Colton kümmern und bei Jonathan leben sollte. Rein sachlich war ihr klar, dass Jonathan mit keiner der beiden Kandidatinnen eine Affäre beginnen würde, denn sie waren fünfzehn bis zwanzig Jahre älter als er. Aber sie wollte trotzdem nicht ersetzbar sein.
„Stimmt etwas nicht?“, fragte Jonathan.
Sie schüttelte tapfer den Kopf, obwohl sie am liebsten in Tränen ausgebrochen wäre. In der letzten Woche war ihr klar geworden, dass ihre Gefühle für Jonathan tief und echt waren und so schnell nicht verblassen würden. Trotzdem schien es ihm überhaupt nichts auszumachen, wenn sie bei ihm auszog.
„Cynthia, sag doch, was ist los?“, fragte er und lehnte sich zu ihr vor.
Sie sah ihm ins Gesicht. Einst hatte es einem beeindruckenden Fremden gehört, doch jetzt war ihr jeder Zug vertraut.
„Wie kannst du mich nur so einfach gehen lassen?“, fragte sie leise.
Er runzelte die Stirn. „Ich verstehe dich nicht. Es war doch von Anfang an klar, dass deine Anstellung bei mir zeitlich begrenzt ist. Ich mache mir zwar Sorgen darüber, wie Colton es verkraften wird, aber das bekommen wir schon in den Griff.“
Seine kühle, vernünftige Antwort zerriss ihr fast das Herz.
„Ich rede nicht von Colton, sondern von uns. Von unserer Beziehung. Wenn du erst eine neue Kinderfrau hast, ist das dann das Ende für uns? Werden wir uns nie mehr wiedersehen?“
Er lehnte sich auf dem Sofa zurück. „Ich weiß nicht“, sagte er schlicht. „Was denkst du?“
Cynthia fröstelte, als sei die Temperatur in ihrem Büro plötzlich um zehn Grad gefallen.
„Ich dachte, ich würde dir etwas bedeuten“, murmelte sie und senkte den Blick. „Ich … ich habe mich in dich verliebt.“
Jonathan zuckte zusammen, als hätte sie ihn geschlagen. „Hör auf damit. Ich will nicht, dass du mich liebst.“
Sie lachte freudlos auf. „Das stimmt. Du wolltest Sex mit mir, aber ohne jede Gefühle.“
Er stand auf und fuhr sich verzweifelt durch die Haare. „Das ist nicht wahr, und das weißt du auch. Verdammt, Cynthia, du sollst mich nicht lieben. Ich bin es nicht wert, das habe ich dir doch gesagt. Ich werde dir nur wehtun.“
„Du tust mir bereits weh.“ Sie konnte ihre Tränen nicht mehr zurückhalten.
„Ich kann dir nicht geben, was du willst.“
„Warum sollte ich etwas wollen?“
„Weil jeder etwas will. Du würdest nicht so reden, wenn du keine Erwartungen hättest. Was ist es? Heirat? Willst du meinen Namen und mein Geld?“
„Ich dachte, es wäre etwas Besonderes zwischen uns beiden“, sagte sie schluchzend. „Es tut mir leid, dass es dir unangenehm ist, wenn ich dich liebe.“
„Es gibt keine Liebe“, knurrte er. „Mein Vater und meine Mutter haben sich angeblich geliebt, und trotzdem ist sie mit einem anderen Mann einfach durchgebrannt. Und sieh doch, was sie mit mir gemacht haben. Es gibt keine Liebe, nur Ausreden.“
Er strahlte Zorn und Schmerz aus. Sein ganzer Körper bebte.
„Ich hatte mir so sehr gewünscht, dass es nicht so enden würde“, brachte Cynthia mühsam hervor. „Trotzdem bereue ich nicht, was zwischen uns gewesen ist. Nicht eine Sekunde.“
Jonathan stand mit dem Rücken zur Wand, seine Augen vor Schreck geweitet. Wenn das Büro sich nicht im dritten Stock befunden hätte, wäre er zum Fenster hinausgeklettert. Ihre Worte
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