JULIA FESTIVAL Band 78
nachgekommen war? War das vielleicht nur eine Falle gewesen?
„Jetzt wundert es mich natürlich nicht mehr, dass Scott sich diese Woche weder bei mir noch bei Jocelyn gemeldet hat“, sagte Ray nun leise und ziemlich deprimiert.
„Er war heute Nachmittag bei mir im Büro.“ Antonia wollte ihre letzten Schandtaten jetzt auch noch gestehen. „Er hat mir mitgeteilt, dass er die vier Männer, die sich dank meiner Einmischung als … na, sagen wir einmal, als unentbehrlich erwiesen haben, wiedereinstellen wird.“ Bei diesen Worten konnte sie Ray nicht ins Gesicht sehen. Zu sehr schämte sie sich. „Außerdem habe ich für jeden der noch Arbeitslosen eine Entschädigung für die Entlassung in Höhe von drei Monatsgehältern verlangt. Fünfzig Prozent der Summe habe ich schließlich noch als Vermittlungsprovision für mich gefordert.“
„Das darf doch nicht wahr sein!“ Rays Atem ging schwer nach diesem verzweifelten Ausruf.
Antonia befürchtete, dass Ray gleich einen Herzanfall bekommen würde.
Mit leidvollem Augenausdruck blickte Ray sie an. Dann forderte er: „Raus mit der Sprache, was ist bei dem Besuch Scotts sonst noch passiert?“
Sie erzählte ausführlich von der Begegnung mit Scott Seton und bekam ganz glühende Wangen dabei. Natürlich erwähnte sie die unwesentlichen Dinge – wie zum Beispiel die Sache mit dem Farbkleckser – nicht.
Ungläubig schüttelte Ray den Kopf. „Das tut er alles nur für Jocelyn. Deshalb lässt er mich ungeschoren davonkommen. Er zahlt und hat mich nicht unterrichtet. Ich kann es fast nicht glauben. Und dich lässt er auch noch großzügigerweise völlig ungestraft. Na, auf jeden Fall weiß ich jetzt, warum er sich nicht bei mir gemeldet hat, er wollte die Sache erst vom Tisch haben. Unglaublich, diese Geschichte!“ Er sah Antonia scharf an. „Damit ist jetzt aber sofort Schluss, hörst du? Sofort hörst du auf, Scott Seton zu bekämpfen!“
„Ja, ich verspreche, damit aufzuhören“, beteuerte sie. „Ich wollte dich nicht verletzen, Ray. Das habe ich nie gewollt.“ Tränen standen ihr in den Augen.
„Antonia …“ Er seufzte. Sein Ärger schien beim Anblick ihrer Tränen dahinzuschmelzen.
„Es tut mir so leid. Ich werde ihm das Geld zurückgeben. Ich werde …“
„Nein!“ Ray überlegte eine Weile und sprach dann ruhig weiter: „Du wirst das Geld nicht zurückgeben, Antonia. Du wirst Scott Seton nicht merken lassen, dass du dir deiner misslichen Taten bewusst geworden bist. Ich denke, er hat dieses Opfer für Jocelyn gebracht, und wir sollten es so hinnehmen. Mehr können wir nicht tun. Aber eins muss ich sagen, dieser Mann ist in meiner Achtung noch mehr gestiegen. Ich bewundere ihn. Es gibt nur einen Weg, uns würdevoll zu verhalten und die Dinge nicht zu verschlimmern – wir müssen alles so lassen, wie es ist. Hast du mich verstanden, Antonia?“
„Ja“, flüsterte sie.
„Und du wirst am nächsten Wochenende mit uns zu Scotts Landhaus fahren und dich von deiner liebenswürdigsten Seite zeigen. Bisher habe ich noch nie etwas von dir verlangt. Dies ist das erste Mal. Das bist du Scott Seton schuldig. Ist das klar?“
„Ja.“
Rays Gesicht wirkte ein wenig eingefallen, als er weitersprach: „Ich hoffe nur, dass Jocelyn seinen Erwartungen entspricht. Sonst weiß ich nämlich nicht, wie wir ihm das alles jemals wieder gutmachen könnten.“
Antonia musste daran denken, dass sie Robert Gilbert ermutigt hatte, Jocelyn Scott auszuspannen, und fühlte sich noch erbärmlicher. Auch wenn es sie schmerzte – sie konnte nur hoffen, dass es Dr. Gilbert nicht gelungen war. Bekäme Scott Seton nach allem, was geschehen war, nun auch noch einen Korb von Jocelyn … nicht auszudenken wäre das!
Antonia schwindelte es plötzlich. Gleich darauf spürte sie Rays festen Griff an ihrer Schulter.
Mit freundlicher Stimme sagte er: „Ich bin dir gegenüber sehr hart gewesen. Es tut mir leid, meine Liebe. Aber die Sorge … Eigentlich ist es ja meine Schuld. Ich hätte wissen müssen, wie sehr du dir immer alles zu Herzen nimmst. Du gibst dich eben mit halben Sachen nicht zufrieden. Wenn ich doch nur mehr Interesse für deine Pläne gehabt hätte …“
„Nein, ich bin für das Desaster verantwortlich. Glaub mir, ich habe das nicht beabsichtigt. Jetzt habe ich dir deinen ruhigen Lebensabend verdorben, obwohl ich nett zu dir sein und dir keine Kosten mehr verursachen wollte.“ Als Ray sie in die Arme nahm und ihr sanft übers Haar strich, konnte sie sich
Weitere Kostenlose Bücher