JULIA FESTIVAL Band 84
tiefer Ohnmacht, weil er unüberlegt vorgegangen war, und er beschäftigte sich damit, wie sie ihn berührte! Anstatt wie ein Idiot in der Küche zu stehen, sollte er vielleicht endlich irgendetwas unternehmen, damit Meredith Palmer wieder zu sich kam.
Auf das zweisitzige Sofa im Wohnzimmer konnte er sie nicht legen. Anthony blickte sich um. Neben einem der Bücherregale stand eine Tür einen Spaltbreit offen. Wie er feststellte, war es das Schlafzimmer. Er trug Meredith hinein und legte sie aufs Bett. Sie begann sich zu rühren und stöhnte leise. Mitleidig nahm Anthony ihre Hand und drückte sie. Dann fiel ihm ein, dass er Meredith wahrscheinlich ein Glas Wasser holen sollte. Wo war das Badezimmer? Er sah sich suchend um … und erlitt wieder einen Schock.
Überall an den Wänden hingen Fotos von Kimberly!
Jedes Lebensjahr seiner Nichte war in Fotomontagen dokumentiert. Dazwischen hingen Vergrößerungen besonders gelungener Aufnahmen, die so ausdrucksstark waren, dass Anthony das Gefühl hatte, Kimberly würde ihn aus den Fotos anschauen.
Es war unheimlich. Anthony hatte die meisten Bilder schon gesehen, aber niemals alle auf einmal. Und plötzlich fragte er sich, ob es noch normal war, mit einer so überwältigenden Sammlung von Fotos zu leben.
Er dachte daran, was Kimberly gesagt hatte: Wenn meine richtige Mutter mich haben will … In diesem Zimmer war der Beweis, dass Meredith Palmer ihre Tochter haben wollte. Anthony grübelte über moralische und Rechtsansprüche. Für ihn war Kimberly immer das Kind seiner Schwester, seine Nichte gewesen. Sie gehörte in seine Familie. Aber wie viel mehr gehörte sie zu dieser Frau, die sie zur Welt gebracht hatte? Was, wenn Kimberlys Wunsch, sie kennenzulernen, nur eine Laune war?
Was habe ich hier in Gang gesetzt?, fragte sich Anthony erschrocken. Ihm fiel die Warnung des alten Anwalts von Denise ein. Lassen Sie die Finger davon, hatte Hector Burnside gesagt. Wer weiß, was dabei herauskommt.
Vielleicht hätte er auf den Rat eines Mannes hören sollen, der in seinem Beruf alle Seiten der menschlichen Natur kennengelernt hatte. Anthony verzog das Gesicht. Jetzt saß er in einer schönen Klemme. Er hatte Kimberly versprochen, mit einer Antwort von ihrer richtigen Mutter zurückzukommen. War er in einem Traum oder Alptraum gelandet, indem er diese Richtung eingeschlagen hatte? Wie auch immer, er konnte nicht mehr zurück.
4. KAPITEL
Er hielt ihre Hand.
Die Berührung nahm Meredith die entmutigende Angst vor dem Unbekannten und beruhigte sie.
Träumte sie das nur?
Nein. Anthony Hamilton drückte ihre Hand.
Meredith öffnete die Augen und sah ihn auf der Bettkante sitzen. Einen Moment lang war sie völlig verwirrt. Warum lag sie auf dem Bett? Wie war sie ins Schlafzimmer gekommen? Dann erinnerte sie sich. „Ich muss ohnmächtig geworden sein“, sagte sie überrascht.
Aus seinen Gedanken gerissen, wandte sich Anthony hastig um und blickte sie an. „Ja. Sie sehen immer noch blass aus. Möchten Sie ein Glas Wasser?“
Meredith stützte sich auf den Ellbogen, doch sofort drehte sich ihr alles, und sie sank zurück. „Ja, bitte. Vielleicht hilft es.“ Sie schloss wieder die Augen und kämpfte gegen Schwindel und Übelkeit. „Es tut mir leid …“
„Meine Schuld. Bin sofort zurück.“
Schock und zu viel Wein auf fast leeren Magen, überlegte Meredith und wünschte, sie wäre vernünftig gewesen und hätte ordentlich zu Abend gegessen. Sie wollte nicht, dass Anthony Hamilton sie für kränklich und schwach hielt und ihr nicht zutraute, mit schwierigen Situationen fertig zu werden. Er könnte es sich anders überlegen und nicht einmal ein kurzes Treffen mit Kimberly erlauben.
Meredith sehnte sich so sehr danach, ihre Tochter zu sehen, dass alles andere unwichtig wurde. Nicht nur Fotos von ihr betrachten, sondern Kimberly wirklich vor sich haben und sie sprechen hören, ihre Ansichten erfahren … Das war jeden Kummer wert.
Aus Angst, Anthony Hamilton könnte ihr eine Begegnung mit Kimberly versagen, wenn er einen schlechten Eindruck von ihr erhalten würde, setzte sich Meredith auf die Bettkante und beugte den Kopf nach unten auf die Knie. Als er mit einem Glas Wasser zurückkehrte, war ihr nicht mehr so schwindlig.
Das Wasser beruhigte ihren Magen. Meredith stellte das leere Glas auf den Nachttisch und sah auf. Sie wollte Anthony Hamilton danken, doch er blickte nicht sie, sondern die Fotos an den Wänden an. Seinem grimmigen Gesichtsausdruck nach zu
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