JULIA FESTIVAL Band 95
alte Frau zog die Brauen hoch.
„Oh, fangen Sie nicht schon wieder an, Sarah. Zwischen Patrick und mir ist nichts. Ich schwöre es.“ Trotzdem röteten sich ihre Wangen.
Ich habe nicht den geringsten Grund, rot zu werden, schalt Kayla sich. Sie hatte nicht gelogen. Patrick hatte sein Versprechen gehalten und den Zwischenfall vergessen. Weder mit einem Blick noch mit einem Wort hatte er seitdem angedeutet, welche leidenschaftlichen Augenblicke sie miteinander verbracht hatten.
Das war ihr sehr recht. Es war besser für sie beide, wenn sie einfach Freunde blieben.
Dennoch schien sie manchmal zu hadern. Wie hatte Patrick alles so leicht vergessen können? Hatte er die unglaubliche Leidenschaft nicht gespürt? Dasselbe Verlangen wie sie gehabt?
Wenn sie sich keiner furchtbaren Demütigung aussetzen wollte, würde sie die Antwort auf diese Fragen niemals bekommen. Und sie würde Patrick niemals darauf ansprechen.
Irgendwann würde sie auch alles vergessen haben. Das sagte sie sich mindestens hundertmal am Tag.
Kayla legte die französische Zeitschrift beiseite und stand auf. Langsam trat sie ans Fenster und versuchte ihre Unruhe abzuschütteln. Sie hatte dieses unverständliche Kribbeln in den letzten Wochen mehrmals verspürt.
„Wir haben eine Liste der Sehenswürdigkeiten in Frankreich aufgestellt, die Sie sich unbedingt anschauen sollten“, sagte Sarah. „Einige Vorschläge stammen von Mr. Peters. Allerdings ist er nicht so zuverlässig, wie ich es mir wünsche. Ich habe das ungute Gefühl, er könnte Sie in ein Bordell schicken.“
Kayla lachte freudlos. „Das könnte eine interessante Erfahrung für alle Beteiligten sein.“
Der Gemüsegarten war von Sarahs Fenster aus zu sehen. Zarte junge Pflanzen sprossen aus dem fruchtbaren Boden. Dieses Jahr würde Kayla nicht hier sein, um die grünen Bohnen und die Karotten mit nach Hause zu nehmen. Die Granatäpfel, die sie so liebte, würden im Herbst an den Bäumen vertrocknen. Niemand außer ihr mochte sie.
„Was ist los, Liebes?“, fragte Sarah. „Sie scheinen mit den Gedanken woanders zu sein.“
Kayla lächelte nur.
Sarah erwiderte das Lächeln nicht. „Setzen Sie sich zu mir.“ Sie klopfte neben sich auf die Matratze.
Kayla setzte sich und nahm Sarahs Hand. Die Haut der alten Frau war immer noch zart, aber hauchdünn und von bläulichen Adern durchzogen.
„Ich weiß nicht, was mit mir los ist“, begann sie. „Manchmal möchte ich davonlaufen und rennen, bis …“
„Bis was?“
Kayla zuckte mit den Schultern. „Ich bin mir nicht sicher. Vielleicht würde ich mich besser fühlen, wenn ich die Antwort wüsste.“
„Bereuen Sie Ihren Entschluss schon?“
„Nein, auf keinen Fall. Ich wollte immer nach Europa und freue mich seit Jahren darauf.“
„Die Menschen werden erwachsen. Ihre Träume ändern sich.“
„Meine nicht.“
Sarah nickte. „Dann ist Ihr Problem gelöst, und Sie tun genau das Richtige, wenn Sie gehen.“ Sie kraulte Rips Ohr. Der schwarze Pudel hatte sich auf dem Bett ausgestreckt.
„Ich hoffe es.“ Kayla verzog das Gesicht.
„Sie haben viele Freunde, die Sie zurücklassen müssen. Aber die Erinnerungen an uns und unsere Liebe werden Sie begleiten.“
Kayla beugte sich vor und legte ihren Kopf auf Sarahs Schulter. „Ich sage mir, dass das reicht“, gestand sie. „Aber gleichzeitig mache ich mir Sorgen, dass es anders sein könnte. Ich glaube, mein Abenteuer wäre viel interessanter, wenn alle Menschen mitkämen, an denen mir liegt.“
„Tut mir leid. Ich habe schon etwas anderes vor.“
Sarahs Ton war leicht und spielerisch. Doch Kayla wusste, dass die alte Freundin Paris gern wiedersehen würde. Sie hätte sie auf der Stelle eingeladen. Leider ließ Sarahs Gebrechlichkeit keine Reise zu.
Einen Moment stellte sie sich vor, Patrick wäre an ihrer Seite, während sie Paris und Monaco eroberte. Doch der musste sein Forschungszentrum aufbauen und Personal dafür auswählen. Für alles andere hatte er keine Zeit. Außerdem würde ein Mann bei ihrem Plan, einen Prinzen kennenzulernen und sich Hals über Kopf in ihn zu verlieben, nur stören.
„Ich werde dafür sorgen, dass Patrick jemanden einstellt, der in Zukunft mit den Hunden herkommt“, versprach sie.
„Er wird bestimmt jemanden finden. Aber Ihre Nachfolgerin wird Sie niemals ersetzen können, Kayla. Sie werden uns fehlen.“
Kayla stand an der Tür der Tierklinik und trat von einem Fuß auf den anderen.
„Komm doch wieder rein!“, rief Cheryl,
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