JULIA FESTIVAL Band 95
sie Anna Jane ein Versprechen gegeben.
„Ich kann nicht“, erklärte sie bedauernd. „Ich würde gern, aber es geht nicht.“
Er zog eine dunkle Augenbraue hoch. „Du bist nicht versucht?“
„Mehr, als du ahnst“, platzte sie heraus.
„Wo liegt dann das Problem? Du könntest dir die Stadt ansehen. Vielleicht erkennst du etwas wieder.“
Daran hatte sie nicht gedacht. „Ich habe Anna Jane versprochen, mit ihr auszureiten, und ich möchte sie nicht enttäuschen.“
„Sie wird es verkraften.“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich habe ihr mein Wort gegeben. Außerdem möchte ich sie nicht allein lassen.“
„Leona und Frank sind hier.“
Da war noch etwas anderes. Etwas, das Arielle nicht verstand, aber sie spürte es ganz deutlich. „Im Moment muss Anna Jane bei Menschen sein, die ihre Versprechen halten. Sie ist oft genug verlassen worden. Ich werde nichts tun, was ihr wehtun könnte.“
Jarrett starrte Arielle an. Dann trat er auf sie zu, beugte sich vor und küsste sie auf die Wange. „Danke“, murmelte er und ging hinaus.
Verwirrt sah Arielle ihm nach. Was war das gewesen? Warum hatte er ihr gedankt? Achselzuckend beschloss sie, sich darüber nicht den Kopf zu zerbrechen. Jedenfalls nicht, solange er fort war.
Jarrett schnallte sich an und nickte dem Piloten zu. Sofort heulten die Triebwerke auf, und das kleine Flugzeug raste die Startbahn entlang. Der Flug würde keine zwanzig Minuten dauern, kaum Zeit, um einen Blick in eine Zeitschrift zu werfen. Anstatt zu lesen, schaute er aus dem Fenster. Während die Maschine in den Steigflug überging, entdeckte er den Strand bei seinem Haus. Er fragte sich, ob Arielle und Anna Jane schon losgeritten waren.
Wenn Arielle vorgehabt hatte, ihn zu verführen, so hatte er ihr die perfekte Gelegenheit dazu geboten. Aber sie hatte den Köder nicht geschluckt, sondern ihr Versprechen an eine Neunjährige gehalten, weil es ihr angeblich wichtiger war als eine Nacht voller Leidenschaft. Hätte er am Abend zuvor nicht gespürt, wie sie vor Verlangen zitterte, hätte er sich vielleicht gekränkt gefühlt. Aber er wusste, dass Arielle ihn so sehr begehrte wie er sie.
Vor dem Fenster tauchte das blaue Meer auf. Er richtete sich auf und schloss die Augen. Er traf eine Entscheidung. Er glaubte Arielle. Sie war wirklich die, die sie zu sein behauptete. Er würde ihr einen Ort geben, an dem sie sich erholen und ihr Gedächtnis wiederfinden konnte. Sie würde Weihnachten mit ihm und Anna Jane verbringen, damit sie nicht allein war. Sie würde zur Familie gehören. Wenigstens eine Zeit lang.
Anna Jane sah sich im Esszimmer um. „Ich vermisse Onkel Jarrett“, klagte sie.
„Ich auch“, sagte Arielle und wusste plötzlich, dass es keine Floskel war. Sie vermisste ihn wirklich. Er sprach zwar nicht sehr viel, aber seine Anwesenheit prägte die ganze Atmosphäre, selbst wenn er schwieg. Ohne ihn erschien ihr der Raum leer und finster.
Du steckst in größeren Schwierigkeiten, als du ahnst, dachte Arielle. Es durfte nicht wahr sein, aber sie war dabei, sich in ihn zu verlieben. Es war eine unerträgliche Situation. Sie durfte sich nicht von einem Mann angezogen fühlen, der ihr nicht traute. Aber hatte sie überhaupt eine Wahl? War es zu spät zur Umkehr? Leider besaß sie auf diese Frage keine Antwort.
„Kommt er morgen wieder?“, fragte Anna Jane.
„Das hat er gesagt. Hat er mit dir über die Reise gesprochen?“
Anna Jane nickte. „Er hat gesagt, er bleibt nur über Nacht weg, aber ich wollte sicher sein. Erwachsene gehen manchmal fort und kommen nie zurück.“
Arielle drückte die Hand des Mädchens. „Onkel Jarrett ist anders als die meisten Leute. Er liebt dich. Keine Angst, er wird wiederkommen.“ Zu spät fiel ihr ein, dass die Menschen in Anna Janes Leben sie nicht freiwillig verlassen hatten.
Das Kind schien ihre Erklärung jedoch zu akzeptieren. Es leerte seinen Teller und schob ihn von sich. „Ich muss ein Geschenk für Onkel Jarrett besorgen. Leona hat gemeint, ich soll einige Kataloge durchsehen und etwas bestellen, aber ist es dazu nicht schon zu spät?“
„Nicht unbedingt. Hast du etwas Bestimmtes im Kopf?“
„Ich möchte ihm einen schönen Füllfederhalter schenken. Der, den er jetzt benutzt, ist völlig zerkratzt. Außerdem können sie seinen Namen draufschreiben, dann weiß er immer, dass es seiner ist.“
„Was für eine tolle Idee.“
Anna Jane erzählte noch von einigen anderen Sachen, die sie schenken könnte, und Arielle
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