JULIA FESTIVAL Band 95
stöhnte leise auf, bevor er sich von ihr löste und sie ansah.
„Ich werde jetzt Frank rufen“, sagte er und ging davon.
Ihre Augen brannten. Sie wusste nicht, woran es lag, aber sie war den Tränen nah. Das war seltsam, denn Fallon weinte nie.
11. KAPITEL
Mit einem strahlenden Lächeln kam Anna Jane am Morgen in Fallons Zimmer gerannt und schlang von hinten die Arme um sie. „Ich bin ja so froh, dass du bleibst.“
Fallon legte die Bürste hin und strich dem Mädchen über den Kopf. „Ich auch. Es werden wunderschöne Weihnachten.“ Sie schaute in den Spiegel. „Ich kann mich nicht entscheiden, wie ich mein Haar tragen soll. Wie Arielle oder wie Fallon?“
„Wie unterscheidet sich das?“
„Fallon ist viel langweiliger. Brav, ordentlich, vernünftig. Arielle trug das Haar hochgesteckt oder offen … Ich weiß nicht.“
„Aber du bist doch auch Arielle. Sie ist kein anderer Mensch, nur du ohne Gedächtnis.“
„Du hast recht“, gab Fallon dem Mädchen recht und begann, das Haar hochzustecken. Was machte es denn schon, wenn das nicht ihr gewohnter Stil war? Es sah gut aus. Sie war im Urlaub – warum sollte sie nicht ein wenig Spaß haben?
„Warum bist du so früh auf?“, fragte sie Anna Jane.
„Ich will Elissa und Kayla zeigen, wo ich dich gefunden habe. Ich mag die beiden. Sie sind so wie du.“
Ihre Worte gingen Fallon ans Herz. Sie hockte sich vor das Kind. „Ich mag dich auch.“ Zärtlich zupfte sie an einer Strähne. „Sehr sogar. Ich wünsche euch viel Spaß.“
„Komm doch mit.“
„Ich muss auspacken.“ Sie zeigte auf den großen Koffer und den Kleiderbeutel.
„Was ist denn mit den Sachen, die Onkel Jarrett dir gegeben hat?“
„Die habe ich noch.“ Sie trug Shorts und ein T-Shirt aus der Boutique. „Wir sehen uns beim Essen.“
„Bis dann.“ Die Neunjährige winkte ihr zu und rannte hinaus.
Fallon hängte den Kleiderbeutel an die Schranktür und zog den Reißverschluss auf. Sie hatte sich einige Sommerkleider mitgebracht. Die neutralen Farben, beige und graublau, überraschten sie. Sie konnte sich erinnern, sie gekauft zu haben, aber irgendwie gehörten sie nicht mehr zu ihr. Als sie die Sachen in den Schrank hängte, passten sie nicht zu den farbenfrohen Sachen, die dort schon hingen.
Sie öffnete den Koffer. Noch mehr vernünftige Kleidung. Schlichte Shorts und Blusen. Weiße Baumwollwäsche. Sie dachte an den Spitzen-BH, den sie im Moment trug, und an die hochausgeschnittenen Beine ihres Slips. Sie nahm ein cremefarbenes kurzärmeliges Hemd aus dem Koffer und hielt es sich an. Dann drehte sie sich zum Spiegel. Heute trug sie ein rotes T-Shirt und weiße Shorts. Das biedere Hemd wirkte dagegen wie ein Fremdkörper.
Fallon warf alles aufs Bett und starrte ihre Sachen an. Hatte die kurze Zeit, in der sie Arielle war, sie so sehr verändert?
Oder hatte der Gedächtnisverlust bewirkt, dass eine andere Seite ihrer Persönlichkeit zutage getreten war? Vielleicht war sie endlich sie selbst gewesen, weil sie sich nicht um andere kümmern musste.
Sie beugte sich über den Koffer. Bücher, ein Beutel mit Kosmetika, ein Fön. Dann ertastete sie etwas Hartes. Sie nahm ein schmales, in Leder gebundenes Buch heraus. Ihr Tagebuch.
Fallon ließ sich aufs Bett sinken. Diese Seiten enthielten ihre Hoffnungen und Träume. Sie blätterte darin und überflog die Eintragung darüber, wie sie St. Alicia als Urlaubsziel gewählt hatte. Was für ein glücklicher Zufall. Oder ein Wink des Schicksals?
Sie blätterte zurück. Ihr Blick fiel auf eine Eintragung vom Ende des Sommers, kurz nachdem ihre Schwestern und sie das festgelegte Geld bekommen hatten.
25. August. Ich muss meine Zukunft planen. Ich will rei sen, aber ich muss wissen, was mich bei der Rückkehr erwartet. Soll ich wieder studieren, um einen besseren Abschluss zu machen? Will ich auch weiterhin an der Grundschule unterrichten? Ich habe daran gedacht, mich selbstständig zu machen. Wenn ich aus dem Urlaub zu rückkehre, muss ich mich entschieden haben. Die Welt ist voller Möglichkeiten, und ich will keine davon verpas sen.
Fallon las die Eintragung ein zweites Mal. Hoffnungen und Pläne für die Zukunft. Doch statt Zuversicht spürte sie einen Anflug von Trauer. Alle ihre Pläne von damals gingen davon aus, dass sie allein war. Im Tagebuch stand kein Wort von einem Mann, nichts davon, dass sie sich verliebt hätte und wie sich das auf ihre Zukunft auswirken würde. Wenn sie aus den Ferien zurückkehrte, würde
Weitere Kostenlose Bücher