JULIA FESTIVAL Band 98
ihre Gefühle, ihre Ziele, ihr Leben. Gage war ein eigenständiger Mensch. Er musste die Entscheidungen treffen, die richtig für ihn waren.
Diese Erkenntnis half ihr allerdings nicht viel weiter. Was sollte sie jetzt tun? Sollte sie warten, bis er endlich begriffen hatte, dass sie zusammengehörten? Oder sollte sie mit ihrem Leben fortfahren, da die Gefahr bestand, dass er sie nicht mehr liebte?
Da sie etwas unternehmen musste, ging sie unter die Dusche, zog sich an und legte ein leichtes Make-up auf. Dann lief sie zu ihrem Wagen und fuhr zur Sheriffstation. Als sie sein Büro erreicht hatte, sprach er gerade mit einigen Deputys. Also wartete sie, bis er Zeit für sie hatte. Erst als er allein in seinem Büro war, trat sie ein und schloss die Tür hinter sich.
Er sah müde aus. Dunkle Schatten lagen um seine Augen, und so etwas wie Argwohn schien in seinem Blick aufzuflackern. Wahrscheinlich fürchtete er, dass sie erneut ein Geständnis ablegen würde.
„Wegen vorgestern“, begann sie und nahm in einem Stuhl vor seinem Schreibtisch Platz. Obwohl die geschlossene Bürotür ein Gefühl der Privatsphäre vermittelte, konnte sie jeder durch die Glaswände beobachten. Sie musste also Haltung bewahren. Zumindest konnte niemand das laute Schlagen ihres Herzens hören.
„Kari“, begann Gage, doch sie hob eine Hand, um ihm Einhalt zu gebieten.
„Ich möchte als Erste reden“, unterbrach sie ihn schnell.
Er zögerte zuerst, nickte aber dann.
Sie wünschte sich nichts mehr, als zu ihm hinzulaufen und ihn anzuflehen, er möge ihr seine Liebe gestehen. Nichts wünschte sie sich sehnlicher, als dass er sie in die Arme zog. Er sollte sie an sich pressen und ihr schwören, dass er sie nie mehr wieder gehen ließ.
Doch stattdessen würde sie so tun, als wäre es ganz in Ordnung, dass er sie gehen ließ.
„Ich hatte unrecht“, sagte sie. „Ich hätte dir nicht gestehen sollen, was für Gefühle ich für dich habe. Zumindest hätte ich es anders sagen sollen. Dich trifft keine Schuld an dieser Situation. Du hast im Moment so viele Schwierigkeiten, und ich mache dir auch noch Probleme.“ Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Du brauchst Zeit, um mit der neuen Situation fertig zu werden. Ich sage nicht, ich liebe dich nicht. Denn das tue ich immer noch. Ich kann mir ein Leben ohne dich gar nicht vorstellen. Aber ich werde mich dir nicht aufdrängen. Du brauchst Zeit, und die werde ich dir geben.“
Jetzt kam der schwierigste Teil. Sie schluckte und verschränkte die Hände. „Kurz gesagt, ich werde einen Job in Abilene annehmen. Wenn du dich also entschieden hast, kannst du …“ Sie räusperte sich. „Du kannst mich besuchen und mir sagen, wie du dir deine Zukunft vorstellst. Oder einfach anrufen, wenn dir das lieber ist.“
Er sah aus, als ob ihm gerade jemand einen Schlag verpasst hätte. „Kari, nicht!“
„Nicht was? Soll ich nicht gehen? Ist es nicht das, was du wolltest?“
Er schüttelte den Kopf, und sie hatte das schreckliche Gefühl, dass er meinte: Hör auf, mich zu lieben. Bitterer Schmerz durchzuckte sie, aber sie zwang sich, ruhig fortzufahren. „Damit nicht alles noch peinlicher wird, habe ich Handwerker mit der Renovierung des Hauses beauftragt, und ein Makler wird sich dann später um den Verkauf kümmern. Ich werde morgen früh abreisen. Ich wünsche dir alles Gute, Gage.“
„Du brauchst doch meinetwegen nicht abzureisen.“
Bereits das Atmen schmerzte sie. Er sagte, sie bräuchte Possum Landing seinetwegen nicht zu verlassen. Doch was sie hören wollte, war: Bleib hier. Bleib bei mir.
„Es gibt hier nichts mehr, was mich halten könnte“, stieß sie hervor und zwang sich, tief durchzuatmen. Der Schmerz würde irgendwann vergehen. Das Leben ging weiter. Wie auch immer sie sich jetzt fühlte, es würde sie nicht umbringen.
„Da meine Großmutter verstorben ist, ist Possum Landing kein Zuhause mehr für mich. Meine Mutter mag mich zur Welt gebracht haben, doch es war meine Großmutter, die mir ihre ganze Liebe geschenkt und mich aufgezogen hat.“ Sie erhob sich langsam.
Es gab noch so viel, was sie ihm gern gesagt hätte. Doch was für einen Sinn hätte das gehabt? Offensichtlich war die Liebe einseitig.
„Auf Wiedersehen, Gage“, sagte sie schließlich. Dann nahm sie all ihre Kraft zusammen und schritt mit erhobenem Kopf aus dem Büro hinaus. Sie schaute sich nicht um. Nicht ein einziges Mal. Sie hatte das Richtige getan, dessen war sie gewiss.
Gage sah, wie sie den Gang
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