JULIA FESTIVAL EXTRA Band 06
Aufträge ablehnen, aber das haben wir noch nie getan. Na ja, heute habe ich jedenfalls seit langer Zeit mal wieder einen freien Tag. Wie geht es übrigens Liam?“
Die Frage kam so unerwartet, dass Sam schlucken musste. „Gut. Er kandidiert für das Amt des Gouverneurs.“
„Gouverneur? So einen attraktiven Gouverneur hat es in den USA bestimmt noch nie gegeben“, schwärmte Olivia. Sie war mit Luke vor einigen Jahren in Wiltshire County gewesen und hatte Liam auf Bobbies und Lukes Hochzeit wiedergesehen.
„Attraktiv? Liam?“, rief Samantha und zügelte sich rasch wieder. Sie fand Liam nicht attraktiv. Natürlich nicht. Aber trotzdem ging ihr sein unerwarteter Kuss nicht aus dem Kopf. Fast war es, als würde sie ihn noch auf ihren Lippen spüren.
Das Telefon läutete, als sie von dem Besuch bei Olivia nach Hause zurückkehrten. Bobbie nahm ab, meldete sich, lauschte kurz und reichte den Hörer lächelnd an Samantha weiter.
„Für dich“, verkündete sie mit hochgezogenen Augenbrauen. „Es ist James.“
„James“, rief Sam freudig, als sie den Hörer nahm und ihrer Schwester den Rücken zukehrte.
„Heute Abend … ja … gern …“, beantwortete sie James’ Frage. „Wann? Ja, acht Uhr passt mir.“
Sie legte auf. „James hat mich zum Essen eingeladen“, erzählte sie Bobbie. „Er sagt, am Fluss hat ein neues Restaurant eröffnet, das schon jetzt einen ausgezeichneten Ruf hat.“
Bobbie wollte schon etwas sagen, schloss den Mund jedoch wieder, als sie Sams gerötetes Gesicht und ihre leuchtenden Augen sah.
James und Samantha?
Nun ja, einen ausgeglicheneren und nachsichtigeren Partner als James würde Sam kaum finden. Ein Mann wie er würde ein wenig Ruhe in ihr Leben bringen. Aber war er stark genug für sie? Bobbie wusste, wie schnell ihre Schwester sich für etwas begeistern konnte. Sie war impulsiv, idealistisch und äußerst willensstark. Sie brauchte einen Mann, der sie nicht nur verstand und liebte, sondern ihr in jeder Hinsicht das Wasser reichen konnte.
Bobbie mochte James und würde sich für ihn freuen. Er war schon mehrmals enttäuscht worden und hatte es verdient, geliebt zu werden. Aber war Samantha die Richtige für ihn? James führte ein vergleichsweise ruhiges Leben, in dem Ordnung eine große Rolle spielte. Sein Schreibtisch, sein Büro und seine Wohnung waren stets tadellos aufgeräumt.
Sam dagegen ertrug lächelnd ein Chaos, das viele Menschen in tiefste Verzweiflung stürzen würde. Sie fiel häufig von einem Extrem ins andere, änderte ihre Meinung von einer Minute zur anderen und vertrat sie dann konsequent und unverblümt. James war immer kompromissbereit und ging einem Streit lieber aus dem Weg. Nun ja, angeblich zogen Gegensätze sich ja an.
„Nimm eine warme Jacke mit“, riet Bobbie ihrer Schwester. „Am Fluss kann es abends sehr kühl werden.“
Samantha war noch in ihrem Zimmer, als James eintraf, um sie abzuholen.
Bobbie ließ ihn herein und umarmte ihn herzlich. „Sam kommt gleich“, sagte sie.
James lächelte. „Gut. Ich habe den Tisch für halb neun bestellt. Das lässt uns genug Zeit für die Fahrt und einen Drink an der Bar, bevor wir essen.“
Zu Bobbies Erleichterung kam Samantha die Treppe herunter. Sie trug einen cremefarbenen Leinenrock, der ihre Figur betonte, und dazu eine weit geschnittene Bluse, die den Eindruck lässiger Eleganz noch unterstrich. Die frisch gewaschenen Locken umspielten ihr Gesicht und gaben ihr eine jugendliche Ausstrahlung.
„Wo ist deine Jacke?“, fragte Bobbie sie leise.
„Wenn es kalt wird, wärme ich mich an James“, flüsterte Samantha im Vorbeigehen.
„Du wirst eine Jacke brauchen“, riet auch James.
Samantha zögerte. Sollte sie ihm sagen, dass sie kein kleines Mädchen mehr war und nicht bemuttert werden wollte? Oder sollte sie sich darüber freuen, dass er sich um ihr Wohlergehen sorgte?
Schließlich ging sie nach oben und legte sich eine Kaschmir-Strickjacke um die Schultern.
„Sehr hübsch“, meinte Bobbie, als sie zurückkehrte.
„Du siehst bezaubernd aus“, bestätigte James lächelnd, während er die Jacke geradezupfte, die ein wenig schief hing. Samantha zog die Augenbrauen hoch.
„Wir sollten gleich aufbrechen“, fuhr er fort. „Wir wollen doch nicht zu spät kommen.“
Bobbie wusste, dass ihre Schwester von Pünktlichkeit ebenso wenig hielt wie von Ordnung, aber sie ersparte sich einen Kommentar, wünschte den beiden einen netten Abend und drückte ihnen insgeheim beide
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