JULIA FESTIVAL EXTRA Band 06
eilte an Liam vorbei zum Sessel, um den alten Teddybär, der zwischen den Kissen saß, an sich zu drücken. „Er erinnert sie an unsere Kindheit, sagt sie. Sie hatte ihn vor uns, und dann hat Tom ihn bekommen, und danach … ach, das verstehst du ja doch nicht. Du bist zu gefühllos. Zu kalt.“
„Vielleicht solltest du dich ebenfalls für die Wahlen aufstellen lassen“, spottete Liam. „Jemand, der Gedanken lesen kann, wäre unschlagbar.“
„Oh, du …“
„Zu deiner Information, ich bin weder gefühllos noch kalt, und was den hier betrifft …“ Er ging zu ihr und nahm ihr den Teddybär ab. „Als ich jung war, hatte ich auch so einen. Mein Großvater hatte ihn aus Irland mitgebracht. Er war noch ein Junge, als er mit seinen Eltern auswanderte.“
Erstaunt sah Samantha ihn an. Liam sprach nur selten über seine Familie. Sie wusste, dass er keine Geschwister hatte und dass seine Großeltern ein florierendes Transportunternehmen aufgebaut hatten. Nach dem frühen Tod seines Vaters hatte Liam das Geschäft mit der Einwilligung seiner Mutter verkauft. All das hatte sie jedoch nicht von Liam selbst, sondern von ihren Eltern erfahren.
„Warum erzählt er mir eigentlich nie etwas über sich“, hatte sie sich einmal bitter bei ihrer Mutter beschwert, nachdem Liam ihre Fragen nach seiner Herkunft beharrlich ignoriert hatte. Sie war damals auf dem College gewesen und hatte an einem Referat über Einwanderer und deren Probleme gearbeitet.
„Er ist sehr stolz“, hatte ihr Vater an Stelle seiner Frau geantwortet. „Ich glaube, er will nicht, dass man auf seine Großeltern herabsieht.“
„Warum sollte ich auf sie herabsehen?“, fragte Samantha verständnislos.
„Na ja, Liam ist sich bewusst, dass seine Großeltern arm waren und nur mit dem, was sie tragen konnten, in die USA gekommen sind. Wir dagegen …“
„Er glaubt, dass ich auf ihn herabsehen würde, weil seine Familie anders als unsere nicht auf der ‚Mayflower‘ aus England kam und zu den Pilgervätern gehörte? Zu denen, die es zu Reichtum, Macht und gesellschaftlichem Ansehen gebracht haben“, hatte Samantha aufgebracht erwidert. „Traut er mir das wirklich zu?“
Sie konnte sich noch genau an diese Szene erinnern.
„Hast du ihn noch?“, fragte sie Liam jetzt mit sanfter Stimme. „Den Teddy, meine ich?“
Ein fast jungenhaftes Lächeln huschte über sein eben noch grimmiges Gesicht, und Sam spürte, wie ihr warm ums Herz wurde.
„Ja“, antwortete er schlicht.
„Du solltest ihn für deine Kinder aufheben und ihnen die Geschichten erzählen, die deine Großeltern dir erzählt haben“, schlug sie spontan vor.
Sofort verhärtete sein Gesicht sich wieder.
„Jetzt fang du nicht auch noch an“, sagte er verärgert. „Wieso wollen alle mich unbedingt verheiraten? Selbst Lee Calder behauptet in Interviews, dass ein alleinstehender, kinderloser Gouverneur kein Verständnis für die Bedürfnisse von Eltern haben wird. Himmel, wenn ich daran denke, wie sehr seine Partei die Ausgaben für Bildung zusammenstreichen wollte.“
Lee Calder war Liams schärfster Konkurrent im Kampf um das Amt des Gouverneurs, ein übergewichtiger, glatzköpfiger Mann von Mitte vierzig, der es in zwei Ehen zu insgesamt fünf Kindern gebracht hatte. Sam schauderte es noch heute, wenn sie daran dachte, wie er sie bei einem offiziellen Empfang an sich gedrückt und zu küssen versucht hatte.
„ Ich will dich nicht verheiraten“, entgegnete sie.
„Nein. So, wie es in deinem Koffer aussieht, willst du eher dein eigenes Singledasein beenden.“
„Ich habe dir doch gesagt, die Sachen sind für Bobbie“, protestierte sie.
„Und ich habe dir gesagt, wenn du dir wirklich einen Ehemann angeln willst, solltest du …“ Als sie die Stirn kraus zog, unterbrach er sich. „Du weißt hoffentlich, dass ich dich morgen früh zum Flughafen fahren werde.“
„Ja“, seufzte Sam. Sie hatte ein Taxi bestellen wollen, aber ihr Vater war manchmal sehr altmodisch.
„Hast du vergessen, wie unpünktlich du sein kannst?“, hatte er gefragt.
„Dad, das ist Jahre her. Und nur weil ich ein einziges Mal ein Flugzeug verpasst habe, muss ich doch nicht …“
„Liam wird dich fahren“, hatte ihr Vater entschieden verkündet. „Zufällig muss er morgen früh nämlich jemanden vom Flughafen abholen.“
„Wen denn?“
„Jemanden aus Washington. Ich möchte, dass sie ihm bei seinem Wahlkampf hilft. Sie ist sehr gut.“
„Sie? Versuchst du etwa auch, ihm eine Ehefrau
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