JULIA FESTIVAL EXTRA WEIHNACHTSBAND Band 03
nach Rye, um über einen Makler das Haus zum Verkauf anzubieten. Selina brachte Robbie inzwischen in ihrem eigenen Auto, das immer noch vor dem Krankenhaus gestanden hatte, nach Hause. Sie setzte sich mit dem Jungen in die Küche und erklärte ihm behutsam die neue Situation.
„Ist Steven dann jetzt mein Dad?“
„Ja, so ist es.“
„Wenn er also mein Dad ist“, begann Robbie listig, den Blick der dunkelbraunen Augen auf Selinas Gesicht gerichtet, „dann kann ich doch ein Fahrrad haben, oder?“
„Wer sagt das?“, fragte sie verblüfft.
„Peter!“, jubelte Robbie. „Peter meint, wenn man einen Dad hat, dann kann man große Sachen bekommen, zum Beispiel ein Fahrrad. Also, kriege ich eins?“
„Was bist du doch für ein durchtriebener kleiner Kerl“, entgegnete Selina, und ihr Versuch, streng dreinzuschauen, scheiterte kläglich. Da hatte sie sich nun die größten Sorgen gemacht, wie Robbie die Neuigkeiten wohl aufnehmen würde, und alles, woran er dachte, war ein Fahrrad. „Dir ist es wohl ganz egal, wer dein Dad ist, solange du ein Fahrrad bekommst, oder?“
Robbie machte ein nachdenkliches Gesicht, während er versuchte, eine Antwort zu finden, und lächelte dann plötzlich. „Ich mag Steven wirklich gern“, verkündete er, als wäre damit sein Wunsch berechtigt. „Also, fragst du ihn, ob ich ein Fahrrad bekomme?“
„Vielleicht“, meinte sie, „wenn du brav bist.“
„Ich bin immer brav.“ Fröhlich und voller Energie stürmte Robbie hinauf in sein Zimmer.
In den folgenden Tagen waren alle vollauf mit Räumen, Aussortieren und Packen beschäftigt. Es herrschte ein Chaos, das noch vergrößert wurde durch Robbie, der darauf bestand, zu helfen. Entgegen ihrer Erwartung behandelte Steven den Jungen äußerst nachsichtig, ja er brachte sogar mehr Geduld für ihn auf als sie selbst. Benahm Robbie sich sehr daneben, dann genügte meist ein einziges Wort von Steven, um ihn zur Vernunft zu bringen – und sofort plagte Selina wieder diese lächerliche Eifersucht.
Sie stellte außerdem fest, dass es ihr äußerst schwerfiel, ihre Gefühle offen zu zeigen. Denn sie hatte Angst, missverstanden zu werden. Wären sie und Steven ein normales Liebespaar, dann könnte sie ihn necken, ihn umarmen, wann immer sie das Bedürfnis danach verspürte, und das war recht häufig der Fall. Aber wollte er das? Andererseits, wenn Steven sich ihr gegenüber so verhielt, dann wusste sie genau, was er vorhatte. Sicher, sie wollte es auch, aber aus anderen Gründen – weil sie ihn liebte.
Sollte sie ihm sagen, was sie für ihn empfand? Nein, denn falls er lachte oder sie zurückwies, würde alles noch viel schlimmer werden. Manchmal, wenn er sie ansah, hatte sie den Eindruck, dass er ebenfalls verwirrt und unsicher war.
Nachdem sie in dieser Nacht miteinander geschlafen hatten und danach zufrieden nebeneinander lagen, überraschte Steven Selina mit der Frage: „Hast du es dir so vorgestellt?“
Selina drehte den Kopf und sah sein markantes Profil. „In welcher Beziehung“, erkundigte sie sich vorsichtig.
„Ganz allgemein. Du hast dir doch sicher ausgemalt, wie es sein würde? Wurden deine Erwartungen erfüllt?“
„Ich hatte keine Erwartungen“, tastete Selina sich zaghaft vor, „jedenfalls keine bestimmten.“ War sie seinen Vorstellungen nicht gerecht geworden? Meinte er das? Sie holte tief Luft. Wenn er das Thema schon ansprach, wollte sie wenigstens einige ihrer Sorgen loswerden. „Ich weiß nicht so recht, wie ich mich dir gegenüber verhalten soll“, fügte sie zögernd hinzu, „was du dir von mir erhoffst.“
„Ja, ich verstehe“, entgegnete er seufzend. Er schob den Arm unter Selinas Nacken und zog sie zärtlich an sich. Die andere Hand legte er unter den Kopf, während er zur Zimmerdecke blickte. „Ich weiß selbst nicht, was ich erwartet habe.“
„Bist du enttäuscht?“, fragte sie leise, verzweifelt bemüht, sich ihre innere Unruhe nicht anmerken zu lassen.
„Nein, enttäuscht eigentlich nicht, eher … nun, ich komme mir vor, als würde ich irgendeine Rolle spielen. Jede Bewegung ist im Voraus geplant, nichts bleibt dem Zufall überlassen. Es gibt keine Spontaneität …“
„Fühlst du dich eingesperrt?“
„Nein“, erwiderte Steven langsam. „Nicht eingesperrt. Unzufrieden. Irgendetwas scheint zu fehlen.“
Ganz recht, wollte sie ihm antworten. Gefühle, die fehlen. Aber das musste er selbst herausfinden. Immerhin spürte er, dass etwas nicht in Ordnung war –
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