Julia Gold Band 0045
schon immer gewusst. Amber konnte kaum glauben, dass sie nicht schon jahrelang zusammen waren, sondern erst eine Woche.
Sie trafen sich zum Lunch und zum Dinner und schliefen jede Nacht zusammen in dem breiten Bett. Manchmal setzte er sich tagsüber eine Zeit lang zu ihr in den Innenhof, wo sie die Interviews aufarbeitete und immer noch Unterlagen aus den Archiven studierte. Bei einem dieser Besuche teilte er ihr die erfreulichen Neuigkeiten über Saleh Alis kleinen Enkel mit.
„Wir haben soeben die Nachricht aus London erhalten, dass er die Krise überwunden hat. Die Ärzte sind sehr zuversichtlich und rechnen damit, dass er in einer Woche schon nach Hause kommen kann.“
Amber freute sich sehr. „Der alte Mann ist sicher jetzt sehr glücklich.“
Plötzlich fiel ihr wieder die Nachricht ein, die sie vor ungefähr einer Stunde erhalten hatte, die sie aber noch für sich behalten wollte. Don hatte ihr mitgeteilt, dass er die Reise nach Kalifornien hatte verschieben müssen, sodass sie sich Zeit lassen konnte mit der Rückkehr nach London.
Ich werde es Zoltan erst erzählen, wenn ich mich entschlossen habe, ob ich hierbleibe oder nicht, überlegte sie. Sie war immer noch unschlüssig, was sie tun sollte. Und wenn sie mit Zoltan darüber reden würde, würde er sie vielleicht drängen.
Immer wieder dachte sie darüber nach, ob sie es wagen sollte, ihr bisheriges Leben einfach aufzugeben. Sie gestand sich ein, dass sie nicht deshalb so lange zögerte, weil alles viel zu schnell gegangen war. Es hatte auch nichts mit ihren Gefühlen für Zoltan zu tun, denn sie war sich völlig sicher, dass sie ihn liebte. Sie konnte sich nicht vorstellen, einen anderen Mann so innig zu lieben.
Etwas ganz anderes beschäftigte und beunruhigte sie. Immer wieder hatte sie den Eindruck, dass Zoltan ihr etwas verheimlichte, etwas sehr Wichtiges, das sie eigentlich erfahren müsste. Außerdem verstand sie nicht mehr, warum er dagegen war, dass Frauen und Männer die Bibliothek und andere öffentliche Räume gemeinsam benutzten. Eine solche Haltung Frauen gegenüber schien nicht zu ihm zu passen, denn sie hatte ihn als toleranten, offenen und fortschrittlichen Menschen kennengelernt.
Deshalb fragte sie sich zuweilen, ob sie ihn wirklich so gut kannte, wie sie glaubte.
Eines Tages entschloss Amber sich, den Dingen auf den Grund zu gehen.
„Weißt du“, begann sie, als er sich zu ihr in den Innenhof setzte und ihr etwas von dem Dattelkonfekt, das er ihr mitgebracht hatte, in den Mund schob, „manchmal habe ich immer noch den Eindruck, dass man mich beobachtet. Gerade jetzt wieder, vor wenigen Minuten, war ich mir ziemlich sicher, dass dort jemand war.“
Sie wies zu dem Fenster über der Terrassentür.
„Manchmal glaube ich sogar, dass es mehrere Personen sind“, fügte sie hinzu.
Zoltan runzelte die Stirn. „Stört es dich sehr? Ich meine, fühlst du dich belästigt und kannst nicht arbeiten?“, wollte er wissen.
„Nein, eigentlich stört es mich nicht.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich versuche, es zu ignorieren.“ Sie sah ihm in die Augen. „Aber ich bin natürlich neugierig. Es ist wieder dieselbe Frau, stimmt’s? Warum beobachtet sie mich ständig? Und warum verheimlichst du mir ihre Identität?“
„Ich habe dir doch gesagt, dass sie eine Angestellte ist.“ Er zögerte, als würde er überlegen. Doch dann beugte er sich vor, nahm ihre Hand in seine und sagte mit ernster Miene: „Du brauchst nicht beunruhigt zu sein, sie tut nichts Böses. Verlass dich auf mich, es gibt keinen Grund zur Besorgnis. Am besten vergisst du sie.“
„Ich glaube dir, dass sie nichts Böses vorhat, ich habe auch keine Angst vor ihr. Dennoch möchte ich verstehen, was hier abläuft. Sie beobachtet mich doch bestimmt nicht ohne Grund. Warum machst du ein solches Geheimnis daraus, statt mir die Sache einfach zu erklären?“
Ihre Stimme klang etwas ungeduldig und leicht gereizt. Die Gefühle, die Amber verdrängt hatte, das Unverständnis und die dadurch entstandene Unsicherheit ließen sich nicht länger verbergen.
„Ich verstehe das alles nicht, und es gefällt mir auch nicht“, fügte sie hinzu.
Zoltan war bestürzt und nahm sie sogleich in die Arme. Sekundenlang drückte er sie fest an sich.
„Mein Liebling, ich will dich doch nicht aufregen. Weißt du das denn nicht? Du kennst mich doch jetzt und weißt, wie viel du mir bedeutest, oder?“, sagte er so gequält, dass sie ihn verblüfft anschaute. „Glaub mir bitte, ich
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