Julia Gold Band 0045
Das verschaffte ihr eine Atempause, und Leah war froh, dass sie sich erst einmal frisch machen und an die neue Umgebung gewöhnen konnte.
Die beiden Frauen führten sie durch die Arkaden und dann eine schmale Treppe hinauf in das erste Stockwerk. Am Ende des langen Flurs öffneten sie die Tür zu einem Salon, der überwiegend in Rot und Gold eingerichtet war und überraschend luxuriös und prächtig aussah. Leah ging hinein und erkannte sogleich, dass er sich in einem Turm befand. Das angrenzende Schlafzimmer war genauso üppig und prunkvoll ausgestattet. Leah war überrascht, denn die strenge und unfreundliche Fassade des Gebäudes ließ nicht auf solchen Luxus schließen. Ich bin zwar eine Gefangene, aber das Gefängnis scheint vergoldet zu sein, fuhr es Leah durch den Kopf.
„Gibt es hier auch ein Badezimmer?“, fragte sie.
Man zeigte ihr das zur Suite gehörende geräumige Bad, das nichts zu wünschen übrig ließ. Als sie zehn Minuten später wieder herauskam, fühlte sie sich schon viel besser, vor allem sauberer. Die Frauen packten gerade Leahs Gepäck aus, das man heraufgetragen hatte.
Auf einmal vernahm Leah den ohrenbetäubenden Lärm eines herannahenden Hubschraubers.
„Der Scheich“, murmelte eine der beiden Frauen, die Leah aufmerksam und fragend anschauten. Dann baten sie Leah, im Salon zu warten, und verschwanden eilig. Leah versteifte sich und versuchte krampfhaft, der Unruhe und Besorgnis, die sie erfasste, Herr zu werden.
Sie ging zu den hohen, schmalen vergitterten Fenstern, die den Blick auf eine Bergkette jenseits der Wüste freigaben. Es war nicht zu erkennen, wo der Hubschrauber gelandet war, doch Leah hörte, wie der Motor schließlich abgestellt wurde.
Sie überlegte, ob sie sich auf eines der Sofas, die mit Seidenbrokat überzogen waren, setzen sollte. Dann entschied sie sich jedoch dagegen und zog es vor, Sharif al Kader stehend zu begrüßen. Sie war sich sicher, dass er sie sogleich aufsuchen würde.
Sie blieb am Fenster stehen. Und während sie hinaus auf die Berge blickte, die sich in der Ferne verschwommen am Horizont abzeichneten, wurde hinter ihr die Tür geöffnet. Auch ohne den Kopf zu wenden, wusste Leah, dass Sharif al Kader ins Zimmer gekommen war. Sie bekam sofort Herzklopfen, so sehr war sie sich der Kraft und Stärke bewusst, die dieser Mann ausstrahlte. Doch sogleich ärgerte sie sich über ihre Reaktion und ballte die Hände zu Fäusten, rührte sich aber nicht von der Stelle.
„Drehen Sie sich um“, forderte er sie auf.
Schweigend widersetzte Leah sich seinem Befehl.
„Widerspenstig bis zum bitteren Ende?“, spottete er mit sanfter Stimme.
„Warum haben Sie mich hier herbringen lassen?“, fragte sie, während sie ihm weiterhin unnachgiebig den Rücken zukehrte.
Sharif al Kader stellte sich hinter sie. Und sofort verspürte sie ein Kribbeln auf der Haut. Seine Nähe bewirkte, dass Leahs Gefühle so durcheinandergewirbelt wurden, dass sie sie kaum noch beherrschen konnte. Nur mühsam gelang es ihr, nicht zurückzuweichen, um schützende Distanz zwischen sich und ihn zu legen.
Er berührte sie jedoch nicht und versuchte auch nicht, ihren Gehorsam zu erzwingen.
Schließlich hob er die Hand und deutete in den Hof unter ihnen. „Sehen Sie die Tauben dort?“, sagte er leise, wobei seine Stimme zärtlich und intim klang. „Als Teenager habe ich sie oft mit bloßen Händen gefangen. Es ist ein aufregendes Gefühl, sie festzuhalten, die weichen Federn zu streicheln und zu erleben, wie die Vögel hilflos flattern …“
„Bereitet es Ihnen Vergnügen, einen Vogel gefangen zu halten?“, unterbrach Leah ihn empört und kämpfte gegen ihre wachsende Furcht an.
Und so als wollte er die zauberhafte Stimmung, die er heraufbeschworen hatte, noch verstärken, ließ er die Finger durch Leahs seidenweiches Haar gleiten, eine liebevolle Geste, sinnlich und bedrohlich zugleich.
Leahs Puls begann zu rasen, aber nicht aus Furcht, wie sie sich entsetzt eingestand, sondern vor Erregung. Was hatte dieser Mann nur an sich, sie so zu verwirren, dass sie sich selbst nicht mehr verstand? Er schien ihr unter die Haut zu gehen.
„Ich habe sie immer wieder fliegen lassen“, erwiderte er weich. „Man kann Macht, über die man verfügt, zum Beispiel damit demonstrieren, Tauben freizulassen. Das macht sehr viel Freude.“
Der eigenartige Zauber, in dem Leah sich gefangen glaubte, löste sich auf. Überrascht drehte sie sich um. „Haben Sie sie nur deshalb gefangen, um sie
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