JULIA GOLD Band 32
haben schon genug Frauen, die Sie beschäftigen.“
„Aber keine, die so einfallsreich ist wie Sie.“ Er lächelte belustigt. „Ich war sehr beeindruckt von dieser eleganten Ohnmacht. Sie haben nicht einmal Ihre Frisur durcheinandergebracht.“
Pippa musste sein Lächeln einfach erwidern. Er war wirklich charmant, sobald er keine Gefahr mehr darstellte. „Es war das Mindeste, was ich tun konnte, nachdem Sarnou sich so viel Mühe damit gegeben hat.“
„Sarnou ist noch talentierter, als ich dachte.“
Wie konnte ein anscheinend sehr moderner Mann einen Harem haben? Pippa sah ihn verwirrt an. Die Frauen waren Sklavinnen, ob sie es gern waren oder nicht. Bedeutete ihm irgendeine von ihnen etwas? Oder waren sie nur bewegliches Eigentum? So oder so, es würde einen faszinierenden Lesestoff abgeben. „Ich wusste nicht, dass noch Harems wie Ihrer existieren. Was fangen die Frauen den ganzen Tag mit sich an? Sind sie eingesperrt, oder dürfen sie nach draußen gehen?“
„Sie werden nicht unterdrückt, das kann ich Ihnen versichern“, erwiderte Hassan ausweichend.
„Vielleicht stimmen Ihre und meine Definition von Unterdrückung nicht überein.“
„Unsere Bräuche sind anders.“
„Das macht sie nicht richtig!“ Vor Empörung vergaß Pippa ihre unsichere Lage. „Menschen haben das Recht, wie Menschen behandelt zu werden, ganz gleich, wo sie leben.“
Hassan sah sie mit zusammengekniffenen Augen an. „Warum sind Sie nach Sharribai gekommen, Pippa?“
„Ich habe einen kurzen Artikel über das Land gelesen und wollte mehr wissen.“
„Sie sind Touristin?“
„Ich bin Bildjournalistin und würde gern eine Story über Sharribai schreiben.“
„Für wen arbeiten Sie?“
„Ich bin freiberuflich tätig.“
„Das heißt, Sie verkaufen an den Meistbietenden?“
„Natürlich habe ich den am besten zahlenden Abnehmer im Sinn.“
Hassan verzog verächtlich den Mund. „Selbst wenn Sie mit Leuten wie Akmed Geschäfte machen müssen?“
„Wer ist Akmed?“, fragte Pippa verständnislos.
„Ich habe mich von Ihrem schauspielerischen Talent schon überzeugen können, also versuchen Sie nicht, mir die Unschuldige vorzuspielen. Ich wollte Kalid nicht glauben, aber anscheinend hatte er recht, was Sie betrifft.“
Hassan kam näher, und Pippa fühlte sich bedroht. Eine dramatische Veränderung war mit ihm vorgegangen. Die charmante Weltgewandtheit war verschwunden. Sein Blick war kalt und grausam. Pippa wich unwillkürlich einen Schritt zurück. „Ich weiß nicht, wovon Sie reden. Sagen Sie mir zumindest, wessen ich verdächtigt werde.“
„Warum haben Sie die Zentrale der Sicherheitspolizei fotografiert?“
„Habe ich nicht! Ich habe Aufnahmen von einem kleinen Jungen und seinen Ziegen gemacht. Das habe ich den Schlägertypen zu erklären versucht, die mich geschnappt haben, aber sie konnten oder wollten mich nicht verstehen. Sie haben meine Kamera. Lassen Sie den Film entwickeln, und Sie werden sehen, dass ich überall in der Stadt fotografiert habe.“
„Daran zweifle ich nicht. Eine clevere Spionin verwischt Ihre Spuren.“
„Seien Sie vernünftig, Hassan. Würde ich am helllichten Tag heikle Fotos schießen? Ich wusste nicht einmal, was für ein Gebäude das ist.“
„Ihre Geschichte ist sehr dürftig. Was haben Sie überhaupt in dem Stadtviertel gemacht? Es hat nichts, was Touristen anzieht.“
„Ich bin einfach herumgelaufen. Betrachten Sie die Tatsachen. Ich kann kaum Türkisch. Ich bin eine Ausländerin, die allein ist und deren rotes Haar aus einer Menschenmenge hervorsticht wie ein Leuchtfeuer. Ich könnte mich nirgendwo in Izmoyar verstecken. Würden Sie mich als Spionin anheuern?“
Hassan blickte Pippa einen Moment lang starr an. Schließlich fuhr er sich durch sein dichtes dunkles Haar. „Allmählich werde ich schon ebenso paranoid wie Kalid! Verzeihen Sie mir.“
Sie seufzte erleichtert. „Plant dieser Akmed einen Staatstreich oder so etwas?“
„Mein Onkel glaubt es. Wir sind in vielem nicht einer Meinung.“
Pippa lächelte. „Die alte Garde denkt immer, dass die jüngere Generation nicht weiß, was sie tut. Taleesha hat mir erzählt, Sie seien noch nicht lange Sultan.“
„Mein Vater ist vor sechs Monaten gestorben, aber mir kommt es länger vor. Ich war zu der Zeit in Ihrem Land und bis auf kurze Besuche nicht mehr zu Hause gewesen, seit ich an die Harvard-Universität gegangen war.“
„Deshalb sprechen Sie perfekt Englisch! Man könnte Sie ohne Weiteres
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