JULIA GOLD Band 32
dadurch nicht ihre Freude verderben lassen.
Während der nächsten Tage erkundete sie die Stadt und verschoss einen Film nach dem anderen. Eines Nachmittags kam sie in ein Viertel, in dem hauptsächlich Lagerhäuser und kleine Fabriken standen, die alle ziemlich baufällig waren. Nur ein Gebäude sah modern aus, ein langer Betonbau mit hohen Gitterfenstern. Das Haus war uninteressant, und Pippa wandte sich gerade ab, als ein kleiner Junge in die Straße einbog, der an einem Stück Seil mehrere kleine Ziegen führte. Obwohl in Lumpen gekleidet, war es ein schönes Kind, und die Ziegen waren niedlich. Pippa hob die Kamera und machte schnell mehrere Fotos.
Zwei Männer kamen aus dem Gebäude gerannt. Einer entriss ihr die Kamera, der andere hielt Pippa an den Armen fest. Als sie sich wehrte, wurde sie von beiden gepackt, und mit zwei kräftigen Schlägertypen konnte sie es nicht aufnehmen. „Lassen Sie mich los!“, schrie sie. „Ich bin amerikanische Staatsangehörige.“ Sie war zu aufgeregt, um sich an ihr Türkisch zu erinnern, aber selbst wenn sie kein Englisch konnten, sollten sie das Wort „amerikanisch“ ja wohl erkennen.
Die Männer schenkten dem keine Beachtung. Sie schleppten Pippa in das Gebäude und schubsten sie in einen hässlichen Raum mit einem langen Tisch und Holzstühlen. Nachdem sie den Inhalt ihrer Handtasche auf den Tisch gekippt hatten, untersuchten sie jeden einzelnen Gegenstand und schraubten sogar ihren Lippenstift ganz aus der Röhre.
„Die Farbe steht Ihnen nicht“, sagte Pippa sarkastisch und war überrascht, als einer der Männer sie auf Englisch ansprach.
„Warum haben Sie Fotos von diesem Gebäude gemacht?“
„Habe ich nicht. Ich habe den kleinen Jungen und seine Ziegen fotografiert. Wer sind Sie?“ Die Männer trugen Uniform, deshalb nahm Pippa an, dass sie entweder Polizisten oder Soldaten waren. „Was werfen Sie mir vor?“
Sie ignorierten sie und sprachen auf Türkisch miteinander. Es klang, als würden sie sich streiten. Sie verstand nur das Wort „Amerikanerin“. „Ich verlange, dass Sie mich sofort freilassen. Sonst werden Sie großen Ärger mit der Regierung der Vereinigten Staaten bekommen.“
„Seien Sie still!“, sagte der eine.
Die Auseinandersetzung ging weiter. Schließlich rissen sie Pippa hoch, schleppten sie nach draußen und stießen sie grob in einen Wagen. Ihr wurde klar, dass sie in ernsten Schwierigkeiten war. Konnte ein Mensch tatsächlich spurlos verschwinden? Alice wusste, wo sie war, aber bis sie anfing, sich Sorgen zu machen, war es vielleicht zu spät. Wohin brachten die Männer sie? Was hatten sie mit ihr vor? Sie ignorierten sie einfach. Fragen zu stellen war zwecklos.
Zu ihrem Erstaunen fuhren sie zum Palast. Sie bekam einen flüchtigen Eindruck von Marmorböden, unbezahlbaren Gobelins und imposanten Skulpturen, während sie durch lange Gänge in einen prachtvollen Saal geführt wurde.
Am anderen Ende des Raums saß auf einem goldenen Thron eine Gestalt in einem reich bestickten Gewand. War das der Sultan? Pippa hielt es für unwahrscheinlich. Er war zu jung. Aber vielleicht muss er jung sein, um mit all seinen Ehefrauen schlafen zu können, dachte sie spöttisch.
Ihre beiden Bewacher zogen sie weiter nach vorn, und Pippa war beeindruckt. Der Mann auf dem Thron sah aus wie ein römischer Kaiser. Er war dunkelhaarig und attraktiv, mit markanten Gesichtszügen, einem energischen Kinn und einem sinnlichen Mund.
Vor dem Podium stand ein Mann und drehte nervös seine Mütze zwischen den Fingern. Offensichtlich war dies ein Gerichtssaal, und der selbstherrliche Typ auf dem Thron war tatsächlich der Sultan, denn alle fügten sich ihm, sogar der strenge ältere Mann, der zu seiner Linken saß und mit ihm sprach, während ein Angeklagter nach dem anderen zögernd vor ihnen erschien. Die meisten von ihnen wurden von stämmigen Wachen abgeführt, wenn über ihren Fall verhandelt worden war. Niemand hatte einen Anwalt. Dieses Land lebte wirklich im Mittelalter!
Noch viele Leute waren vor Pippa, als der Sultan aufstand und mit einer Handbewegung anzeigte, dass die Sitzung vorbei war. Pippa geriet in Panik. Man würde sie wahrscheinlich bis zur nächsten Sitzung in eine Zelle stecken. Ohne zu überlegen, riss sie sich von ihren Bewachern los und raste zum Podium. „Warten Sie! Ich bin amerikanische Staatsangehörige. Sie können mich nicht hier festhalten. Ich verlange …“ Weiter kam sie nicht. Ihre Bewacher stürzten sich auf sie und
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