Julia Gold Band 51
drehte sich um und verzog resigniert das Gesicht. Die Wangen seiner Mutter aber färbten sich rot vor Zorn. Demonstrativ kehrte sie ihrer Tochter den Rücken zu, während der Araber an Raschids Seite den Arm des Scheichs berührte und leise auf ihn einredete.
Der Bann war gebrochen. Raschid wandte seine Aufmerksamkeit wieder seinem Begleiter zu, und Evie ging, um einige Worte mit ihrem Bruder zu wechseln, bevor sie neben ihrer Mutter Platz nahm. Hinter ihnen begann sich der Raum unter dem Baldachin zu füllen, als die übrigen Gäste nach und nach ihre Plätze einnahmen. Als die sichtlich nervöse Brautmutter von einem der Bediensteten zu ihrem Platz geleitet wurde, legte sich eine erwartungsvolle Stille über die nun vollzählig versammelte Hochzeitsgemeinde.
Aus dem Innern der kleinen Kapelle stimmte die Orgel den Hochzeitsmarsch an. Ein Raunen ging durch die Reihen und kündete die Ankunft der Braut an. Auch Evie konnte der Versuchung nicht widerstehen, sich umzudrehen. Sie sah eine strahlende Braut, die am Arm ihres stolzen Vaters langsam den Mittelgang heraufkam.
Christina sah bezaubernd aus in dem schulterfreien, langen Brautkleid aus zarter weißer Chantillyspitze. In dem dunklen Haar trug sie einen Kranz aus zartrosa Rosen, in ihrer Hand einen Brautstrauß aus den gleichen Rosen, und auch die hübschen Organzakleider der fünf Brautjungfern waren in dem gleichen Zartrosa gewählt.
Die Braut lächelte glücklich und gelöst. Christina war sich ihrer Liebe zu Julian und seiner Liebe zu ihr so sicher, dass sie überhaupt nicht nervös war. Gerührt drehte Evie sich zu ihrem Bruder um. Julians Gesicht strahlte genauso vor Freude und Stolz, als er zusah, wie seine Braut ihm zugeführt wurde.
Ich wünschte … Evie verbot sich, den Gedanken zu Ende zu denken, und war froh, dass Raschid einige Reihen hinter ihr saß und ihren wehmütigen Gesichtsausdruck nicht sehen konnte. Aber spürte er vielleicht, was in ihr vorging? Verglich er in Anbetracht dieser sehr englischen Hochzeit das, was Christina und Julian hier taten, mit dem, was es für sie, Raschid und Evie, nie geben würde?
Sie liebten sich, Evie zweifelte nicht einen Moment daran. Und allein durch die Tatsache, dass sie entgegen allen Widerständen so lange zueinandergestanden hatten, hatten sie sich mutiger als manch andere zu ihrer Liebe bekannt. Dennoch ließ sich diese mutige Liebe nicht mit dem ehelichen Bund vor Gott vergleichen. Sie blieb eine vage Sache, ohne rechtliche Bindung und ohne Segen – gleichgültig, von welchem Gott.
„Wir haben uns heute hier versammelt, um Zeuge zu werden, wie dieser Mann und diese Frau den heiligen Bund der Ehe schließen …“
Evie spürte, wie ihre Mutter sich die Augen mit einem Spitzentaschentuch abtupfte, und wurde von quälenden Gewissensbissen bestürmt. Mehr denn je war sie sich bewusst, wie sehr sie ihre Mutter enttäuscht hatte, denn Lucinda würde niemals wie Christinas Mutter voller Stolz und Befriedigung zusehen können, wie ihre Tochter eine derart gute und standesgemäße Partie machte.
Verdammt! dachte Evie unglücklich. Impulsiv nahm sie die Hand ihrer Mutter, hob sie an ihre Lippen und küsste sie. Sie wusste selbst nicht, warum – vielleicht war es eine stumme Geste der Entschuldigung. Wie auch immer, ihre Mutter wies diese Geste schroff zurück, indem sie Evie energisch ihre Hand entzog.
Das tat so weh, dass Evie den Rest der Zeremonie nur noch wie durch einen Nebelschleier mitbekam – verloren im trostlosen Gefühl ihrer eigenen Unzulänglichkeit. Nicht nur als Tochter hatte sie versagt, sondern auch noch die Erwartungen eines anderen Menschen, der heute hier anwesend war, enttäuscht – nur dass der noch nichts davon ahnte.
Gebete, Gesänge, Gelübde … Evie reagierte rein mechanisch und versteckte sich hinter einem nichtssagenden Lächeln, hinter dem nur wenige eine zutiefst unglückliche Frau vermutet hätten.
Scheich Raschid Al Kadah zählte zu diesen wenigen. Er saß einige Reihen schräg hinter Evie und hielt den Kopf meist gesenkt, während er mit seinem besonderen Gespür für die Frau, die er liebte, Evies beunruhigende Stimmung aufnahm. Ein verstohlener Blick verriet ihm, dass sie äußerlich ruhig und gefasst wirkte wie stets, wenn sie sich in der Öffentlichkeit bewegte. Und doch sagte ihm sein Gefühl etwas ganz anderes.
Es muss diese verdammte Hochzeit sein! dachte er. Denn welche Frau träumte nicht davon, mit dem Mann, den sie liebte, so wie heute Christina
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