Julia Gold Band 51
gedämpfte, zornige Stimmen. Die eine gehörte Raschid, die andere …
Oh nein! Ihrer Mutter.
Entsetzt richtete Evie sich auf. In aller Hast zog sie sich einen himbeerroten seidenen Morgenmantel an und eilte aus dem Schlafzimmer. Auf dem Flur konnte sie deutlich hören, was im Salon gesprochen wurde.
„Liebe?“, hörte sie ihre Mutter spotten. „Liebe nimmt nicht, ohne zu geben. Und was haben Sie im Verlauf dieser Affäre gegeben, Scheich Raschid? Denn soweit ich sehe, ist Ihr Ruf nicht ruiniert, und Sie sind auch nicht zum Objekt öffentlichen Mitleids geworden!“
Mitleid? Kreidebleich blieb Evie in dem offenen Durchgang stehen, der den luxuriösen Salon mit dem Flur verband. Ihre Mutter stand mitten im Raum, bekleidet mit einem eleganten weißen Kostüm, das ihren zarten Teint und ihr hellblondes Haar wirkungsvoll zur Geltung brachte. Raschid, der ihr gegenüberstand, trug ein dunkelblaues arabisches Gewand. Die beiden hätten nicht unterschiedlicher sein können, und die Feindseligkeit und Ablehnung zwischen ihnen war spürbar.
„Der gestrige Tag sollte für meine Familie ein ganz besonderer Tag sein“, fuhr Lucinda Delahaye zornig fort. „Und fairerweise muss ich einräumen, dass Evie ihr Bestes versucht hat, um das Ihrige dazu beizutragen. Aber Sie mussten natürlich erscheinen, mussten dem Brautpaar die Schau stehlen, um wieder einmal in die Zeitung zu kommen. Seelenruhig haben Sie mit meiner Tochter getanzt, obwohl die Gerüchte über Ihre bevorstehende Heirat mit einer anderen Frau schon in aller Munde waren! Und als ob das nicht schon genügt hätte, musste Ihr Vater noch dafür sorgen, dass die ganze Welt erfährt, was für eine leichtgläubige kleine Närrin Evie in Bezug auf Sie ist!“
„Versuchen Sie doch zur Abwechslung einmal, dem Urteil Ihrer Tochter zu trauen“, schlug Raschid kühl vor. „Wer weiß? Vielleicht stellen Sie fest, dass Evie Sie angenehm überrascht.“
„Nicht solange sie an dieser schamlosen Affäre mit Ihnen festhält!“
„Unsere schamlose Affäre geht Sie nichts an.“
„Ach, warum verschwinden Sie nicht einfach zu Ihren Ölquellen in der Wüste, heiraten Ihre entfernte Cousine und lassen meine Tochter in Ruhe?“, rief Evies Mutter aus.
Zu Evies Entsetzen lachte Raschid. „Wenn Sie wüssten!“
„Offen gestanden will ich überhaupt nichts von Ihnen wissen“, antwortete Lucinda verächtlich. „Ich bin gekommen, um mit meiner Tochter zu sprechen.“
„Evie hat sich hingelegt. Sie fühlte sich … unwohl …“
„Ich bin hier“, fiel Evie, die gerade das Zimmer betrat, ihm rasch ins Wort.
Ihre Mutter und Raschid drehten sich gleichzeitig zu ihr um. Die blauen Augen ihrer Mutter blickten unverhohlen vorwurfsvoll, Raschids goldbraune kühl und unergründlich.
„Was fehlt dir?“, fragte ihre Mutter argwöhnisch.
„Nichts.“ Evie trat vorsichtig näher, wobei sie Raschids Blick auswich. „Ich war nur müde. Was willst du, Mutter?“
„Was ich will? Ich will wissen, was dir einfällt, im Bett dieses Mannes zu liegen, wo er schon plant, eine andere Frau zu heiraten! Besitzt du denn gar keinen Stolz – gar keine Scham? Hast du je einen Gedanken daran verschwendet, was es für deinen Ruf bedeutet, heute mit ihm hierher zu kommen?“
„Ihr Ton lässt einiges zu wünschen übrig, Lady Delahaye“, mischte sich Raschid zornig ein.
„Mein Ton, junger Mann“, erwiderte Lucinda von oben herab, „mein Ton geht Sie gar nichts an. Ich habe mit meiner Tochter gesprochen.“
Evie spürte, dass der Streit zwischen den beiden jeden Moment in einer Form eskalieren konnte, wie sie es nicht ertragen hätte. „Raschid …“ Sie wandte sich flehentlich an ihn. „Würdest du mich bitte einige Minuten mit meiner Mutter allein lassen?“
Ihre Bitte schien ihn zu kränken. Doch Evie konnte darauf keine Rücksicht nehmen. Auch wenn sie kein so tolles Verhältnis zu ihrer Mutter hatte, wollte sie nicht zusehen, wie Lucinda von Raschid in der Luft zerrissen wurde. Und das würde unweigerlich geschehen, wenn Raschid die Beherrschung verlor.
„Ganz wie du wünschst“, sagte er nun frostig, nickte ihrer Mutter kurz zu und verließ den Raum.
„Der Mann ist unerträglich arrogant!“, sagte Lucinda giftig.
„Du bist auch nicht besser“, entgegnete Evie fest. „Dies ist Raschids Zuhause, und du hast ihn behandelt, als wäre er der Eindringling hier.“
Ihre Mutter zuckte sichtlich zusammen und nahm die Kritik widerspruchslos hin. „Ich mag ihn nicht“,
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