Julia präsentiert Träume aus 1001 Nacht 04
empfinden mochte.
„Aber ich habe noch eine Bitte, Aban von Bahram. Ich möchte die Nachricht meines Bruders Omar lesen, ehe Ihr geht, falls es um Neuigkeiten über den Banditen Jalal geht.“
Aban von Bahram überlegte einen Moment. „Ihr werdet mir die Nachricht wiedergeben, damit ich sie sicher abliefern kann?“
Rafi bestätigte ihm das, nahm die Nachricht entgegen, las sie und reichte sie ihm zurück. Er verbarg seinen Schrecken vor dem Mann, gab ihm die Nachricht mit und schickte ihn mit Samir fort.
Zwei Stunden später saß Aban von Bahram zum ersten Mal in seinem Leben in einem „halikuptar“. Dieses Abenteuer würde in seinem Volk noch an so manchem Winterabend erzählt werden.
Doch zuvor hatte Rafi bereits mit Karim telefoniert.
„Er ist wunderschön“, hauchte Jana. „Das ist das schönste Stück, das ich je gesehen habe. Wer hat ihn gefertigt?“
Nachdem sie von einer Schießübung zurückgekehrt waren, hatte Omar sie in sein Schlafzimmer geführt, dort den Safe geöffnet und einen mit Schnitzereien verzierten Holzkasten herausgeholt.
Darin war ein Kelch, aus reinem Gold gehämmert und mit kostbaren Steinen verziert. Mit Rubinen und Smaragden – so groß wie Trauben – war der Rand besetzt, und kleinere verzierten den Fuß, während flache Steine in der Mitte der Schale angebracht waren. Dieses herrliche Kunstwerk wurde von dem Gold zusammengehalten. Omar musste ihn nicht mal ins Licht halten. Die Steine funkelten und glitzerten auch so.
„Er wurde vor vielen Jahrhunderten von einem der besten Hofkünstler für einen Vorfahren gefertigt. Es ist der Kelch des Glücks, ‚Jahmeh Sa’adat‘, oder ‚Jameh Jahn‘, der Kelch der Seele“, berichtete Omar ihr. „Der Legende nach wird derjenige, der ihn besitzt, das wahre Glück finden.“
Es schwang ein Unterton in seiner Stimme mit, der Jana aufhorchen ließ. „Bei dir hat der Zauber nicht so gewirkt“, meinte sie.
Omar schwieg.
Jana blickte auf das magische Stück in ihren Händen. Es schien tatsächlich eine gewisse Macht zu besitzen.
„Ist er denn sicher hier?“, fragte sie.
„Während des Kriegs, den mein Cousin führte, hat man mir viel Geld für den Kelch geboten. Ich glaube, es gibt schon einige, die ihn stehlen würden, wenn sie könnten.“ In dem Augenblick fielen Jana die fehlenden Schätze im Palast ein, und sie fragte sich, wie viele wertvolle Stücke Omar geopfert hatte, um seinem Cousin den Krieg zu finanzieren.
„Meinem Bruder wurde das Siegel aus seiner Schatzkammer gestohlen. Aber niemand außer mir weiß, wo der Kelch sich befindet. Du weißt es jetzt auch. Aus dem Grund ist er hier sicherer als im Palast. Ich habe ihn hierhergebracht, weil ich hier glücklich war, auch wenn das schon viele Jahre her ist. Hier kam mir das Versprechen des Kelchs nicht so verlogen vor.“
„Ist dieses Haus deshalb dein Zufluchtsort? Weil du dich hier an glücklichere Zeiten erinnern kannst?“
„Kann sein. Ich bin hierhergekommen, weil ich hier allein sein kann und nicht mehr an das erinnert werde, was aus meinem Leben geworden ist.“
Omar schaute sie an. Es gab so vieles, das er ihr sagen wollte, aber er fand nicht die rechten Worte dafür. Er hätte sie auch gern gefragt, was es zu bedeuten hatte, wenn sie ihn so anschaute wie jetzt, aber irgendetwas hielt ihn zurück.
„Du warst schon zu sehr allein“,bemerkte sie.„Nicht wahr?“ Nachdenklich betrachtete sie den wunderschönen Kelch in ihren Händen.
„Was meinst du damit, Jana?“
„Nicht viele Menschen finden über lange Zeit das Glück in der Einsamkeit. Die meisten von uns brauchen dazu andere Menschen. Und die Liebe. Oder nicht?“ Sie schaute zu ihm auf, aber ihre Worte hatten eine Art Schock bei ihm erzeugt, der ihm die Sprache nahm.
„Tatsächlich?“, fragte er schließlich.
Sie suchte nach einer Erklärung. „Du hast deinen Vater verloren, deine Stiefmutter, deine Mutter und deine Frau … und du bist von deinen Brüdern entfremdet, ist es nicht so? Du hast am Krieg deines Cousins teilgenommen und viele sterben sehen. Diese Verluste hast du alle in den vergangenen zehn Jahren erlitten?“ Er erwiderte nichts darauf. „Es muss für dich wie ein Schicksalsschlag nach dem anderen gewesen sein.“
„In der Einsamkeit finde ich Trost“, bemerkte Omar und erkannte erst, als er es ausgesprochen hatte, dass es nicht mehr stimmte. Vielleicht war das nie wirklich der Fall gewesen. Jetzt war es nicht mehr die Einsamkeit, die ihm Trost
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