Julia präsentiert Träume aus 1001 Nacht 05
hörte wie aus weiter Ferne das schrille Wiehern des Pferdes, das angstvolle Kreischen des Kindes, das besorgte Rufen des Stallburschen … dann durchzuckte sie ein stechender Schmerz, und alles wurde dunkel.
Mühsam schlug Xenia die Augen auf.
„Ah, gut, Sie kommen wieder zu sich.“
Eine Krankenschwester beugte sich lächelnd über sie. Xenia versuchte, sich zu bewegen, doch der Schmerz in ihrer Schulter belehrte sie eines Besseren.
„Keine Sorge, es ist nichts Ernstes. Nur eine schlimme Prellung“, sagte die Schwester tröstend. „Sie hatten aber Glück … und der kleine Junge, den Sie gerettet haben, hatte noch mehr Glück.“
Das Kind! Trotz der Schmerzen in der Schulter setzte Xenia sich besorgt auf. „Sind Sie sicher, dass dem Jungen nichts passiert ist?“
„Ganz bestimmt. Ich glaube, sein Vater hat einen größeren Schock abbekommen als der Kleine. Er gehört zur königlichen Familie … ein Cousin des Prinzen, glaube ich, und er konnte Ihr Lob gar nicht hoch genug singen. Er ist überzeugt, dass das Pferd seinen Sohn getötet hätte, wenn Sie nicht so mutig und geistesgegenwärtig reagiert hätten.“
„Das Pferd trifft keine Schuld“, wandte Xenia ein. „Es war nervös, auf dem Hof war viel los, und Kinder haben da eigentlich nichts verloren … Aua!“ Sie zuckte zusammen, als die Schwester sich an ihrem Verband zu schaffen machte.
„Ganz ruhig. Ich sehe nur nach, ob es aufgehört hat zu bluten.“
„Zu bluten?“, fragte Xenia aufhorchend.
„Ja, der Huf hat Ihr Schulterblatt getroffen und dabei nicht nur einen beeindruckenden Bluterguss, sondern auch eine kleine Platzwunde verursacht. Aber das sieht jetzt schon sehr gut aus.“
„Schön … dann kann ich mich ja anziehen und nach Hause gehen“, meine Xenia sofort.
„Erst wenn der Doktor sein Okay dazu gegeben hat“, warnte die Krankenschwester sie mit strenger Miene.
Eine halbe Stunde später saß Xenia angezogen auf der Bettkante und sah den jungen Arzt vor ihr eigensinnig an.
„Schauen Sie, ich kann unmöglich über Nacht hierbleiben“, sagte sie entschieden. „Es sind nur noch wenige Tage bis zur Rennwoche, und ich habe noch unzählige Dinge zu tun. Sie haben selbst gesagt, dass Sie zu neunundneunzig Prozent sicher sind, dass ich keine Gehirnerschütterung davongetragen habe, und …“
„Ich würde Sie trotzdem gern über Nacht hierbehalten, nur zur Sicherheit“, beharrte der Arzt.
Sie schüttelte den Kopf. „Das ist wirklich nicht nötig. Es geht mir bestens.“
„Dann sollten wir wenigstens Ihren Mann von dem Unfall in Kenntnis setzen“, meinte der Arzt.
Rashid! Xenia erstarrte. Momentan war er in London und kümmerte sich um Probleme, die beim Umbau eines Hotels aufgetaucht waren, das die königliche Familie neu erworben hatte. Er sollte eigentlich erst in zwei Tagen zurückkommen und würde bestimmt nicht begeistert sein, wenn er seine Besprechungen wegen seiner ungeliebten Frau abbrechen musste.
Es war nicht ganz einfach, aber sie schaffte es, den jungen Doktor davon zu überzeugen, dass es keinen Anlass gab, Rashid wegen dieses kleinen Unfalls unnötig zu beunruhigen, wo er doch in zwei Tagen sowieso nach Hause kommen würde. Und am Ende ließ der Arzt sich auch überreden, sie nach Hause gehen zu lassen, nachdem sie ihm hoch und heilig versprochen hatte, dass sie in der Villa nicht allein sein würde.
Eine Stunde später war sie auf dem Weg nach Hause. Obwohl der junge Fahrer, den Rashid ganz zu Xenias Verfügung abgestellt hatte, so langsam und vorsichtig wie möglich fuhr, schmerzte die Schulter unerwartet stark. Aber sobald Xenia in der Villa ankam, wurde sie von Rashids Bediensteten derart umsorgt und bemuttert, dass sie schließlich ein Machtwort sprach. Und das Telefon stand nicht still. Nach einer Stunde hatte Xenia so viele besorgte Anrufe entgegengenommen, dass sie den Stecker zog, und der größte Salon der Villa musste für die zahllosen Blumengrüße herhalten … darunter ein gewaltiges Bukett von der königlichen Familie.
Xenia versuchte, den dumpfen Schmerz in ihrer Schulter zu ignorieren, setzte sich in ihr Arbeitszimmer und ging die Menüfolgen durch, die der Küchenchef des Hotelkomplexes ihr vorgeschlagen hatte. Ihre ausländischen Gäste würden in einem der privaten Speisesäle des Hotels essen, und Xenia hatte bis in den Abend damit zu tun, die Vorlieben jedes einzelnen Gastes mit den Vorschlägen des Küchenchefs abzugleichen. Sie unterbrach diese Arbeit nur für ein leichtes
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