Julia präsentiert Träume aus 1001 Nacht 05
mehrfacher Überprüfung keinen Hinweis entdecken konnte, war sie so ratlos wie zuvor. Zärtlich wischte sie Fleur die Tränen aus dem heißen Gesicht und küsste sie auf die kleine Wange. Fleur griff nach ihrem Zeigefinger und versuchte, daran zu saugen. Nein, eigentlich biss sie darauf herum … Mariella spürte etwas Spitzes, Scharfes … Fleur bekam ihren ersten Zahn!
Erleichtert fiel Mariella ein Stein vom Herzen. Sie erinnerte sich noch gut daran, wie ihre Mutter Tanya nächtelang herumgetragen hatte, und ihr, Mariella, erklärt hatte, dass das Zahnen dem Baby wehtue und es deshalb so weine. Nun holte Mariella die schmerzstillende Lotion aus der Babytasche, die sie für diese Zwecke in die Reiseapotheke getan hatte.
„Pass auf, gleich fühlst du dich besser, mein Schatz“, sagte sie liebevoll, während sie die Lotion behutsam mit einem Wattestäbchen auftupfte. „Und was für einen hübschen kleinen Zahn hast du da! So ein hübscher Zahn!“
Tatsächlich beruhigte sich Fleur im Nu und war nur Minuten später tief und fest eingeschlafen. Restlos erschöpft trug Mariella das Baby ins Bettchen und legte sich dann selber wieder hin.
Xavier wurde allmählich unruhig. Es war schon helllichter Tag. Er selbst hatte längst geduscht und gefrühstückt und sogar versucht, etwas am Laptop zu arbeiten. Allerdings fiel es ihm schwer, sich zu konzentrieren. Ständig schweiften seine Gedanken zu der Geliebten seines Cousins, was gänzlich unerwünschte Gefühle in ihm wachrief. Seit Stunden drang nicht der geringste Laut aus dem Schlafzimmer. Als Nachtclubtänzerin war sie es sicher gewohnt, tagsüber zu schlafen … und höchst wahrscheinlich nicht allein!
Allein bei der Vorstellung, dass diese Frau nebenan in seinem Bett lag, wurde ihm durch und durch heiß … was ihn wiederum wütend machte, denn er war insgeheim immer sehr stolz auf seine Selbstbeherrschung gewesen. Khalid sollte eigentlich froh sein, dass er, Xavier, ihn davor bewahrt hatte, diese türkisäugige Verführerin zu heiraten!
Doch Khalid war nicht froh. Im Gegenteil, er war verschwunden, nachdem er hoch und heilig geschworen hatte, die Frau, die er liebte, niemals aufzugeben, selbst wenn er, Xavier, die Drohung wahr machen würde, ihn zu enterben. Sein Cousin war offenbar völlig vernarrt in diese Frau, und nun, da er, Xavier, sie kennengelernt hatte, fing er an zu begreifen, wie gefährlich sie war.
Wenn er jedoch mit ihr ins Bett gehen würde, würde das Khalids Liebe sicher abkühlen lassen. Zumal, wenn sein Cousin erfuhr, dass sie sich ihm, Xavier, freiwillig hingegeben hatte! Und sie würde der Versuchung, sich einen noch reicheren Mann zu angeln, ganz bestimmt nicht widerstehen können! Natürlich würde Khalid sehr verletzt sein, aber es war nur zu seinem Besten. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Und diese Frau würde ihm auf lange Sicht nur Unglück bringen.
Allmählich kam Xavier die Stille in dem Schlafraum nebenan merkwürdig vor. Die Frau musste inzwischen doch wach sein, und sei es nur, um sich um das Baby zu kümmern! Gereizt ging Xavier hinüber und zog den Türvorhang beiseite.
Mariella lag im Bett und schlief tief und fest. Ihr einer Arm umrahmte in anmutigem Bogen ihren Kopf, ihr Teint schimmerte hell im sanften Licht. Das seidige rotblonde Haar umschmeichelte zerzaust das zarte Gesicht, dichte schwarze Wimpern ruhten auf den rosigen Wangen – sicherlich gefärbt, um die unwirklich blaugrünen Augen zu betonen, von denen sie ja behauptet hatte, dass deren Farbe natürlich sei.
Sie seufzte im Schlaf. Ein beunruhigter Ausdruck huschte über ihr Gesicht, bevor sie wieder ganz still dalag. Xavier konnte den Blick nicht von ihr wenden und betrachtete sie wie gebannt. Alles, was er von ihr wusste, widersprach seinen hohen moralischen Ansprüchen und Werten, aber rein körperlich übte sie eine schier unwiderstehliche Anziehung auf ihn aus, ein Verlangen, das nach Erfüllung drängte. Ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein, machte er einen Schritt auf das Bett zu. Wenn er sie jetzt in die Arme nahm und weckte, würde sie dann Khalids Namen nennen?
Allein dieser Gedanke hätte genügen müssen, seine Erregung abzukühlen, doch stattdessen erfüllte ihn die Vorstellung, irgendeinen anderen als den eigenen Namen von dieser Frau zu hören, mit heftigem Zorn. Und während er sich noch nicht eingestehen wollte, was das bedeutete, wurde seine Aufmerksamkeit durch ein vergnügtes Glucksen aus dem Babybettchen
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