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Julia Quinn

Julia Quinn

Titel: Julia Quinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Im Namen der Liebe
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Zustand konnte
er sich nicht angemessen gegen die Beleidigung verwahren. »Ich könnte nach
Amerika gehen«, erklärte er. »Sicher sind die Wilden dort netter als du.«
    Caroline schenkte ihm keinerlei
Beachtung. Sie und Percy waren, seit sie vor eineinhalb Jahren hergekommen war,
um bei den Prewitts zu leben, ständig aneinander geraten. Percy stand völlig
unter dem Pantoffel seines Vaters, und der einzige Zeitpunkt, an dem er Geist
zeigte, war, wenn Oliver Prewitt aus dem Haus war. Unglücklicherweise war sein
Geist so niedrig wie gemein und – Carolines Meinung nach – ziemlich
schwerfällig.
    »Es sieht ganz so aus, als müsste
ich dich jetzt retten«, murmelte sie missmutig. »Deinetwegen will ich nicht an
den Galgen kommen.«
    »Zu freundlich von dir.«
    Caroline zog ein Kissen ab, nahm den
Bezug – Leinen von höchster Qualität, wie sie bemerkte, vermutlich von ihrem
Geld gekauft – und faltete ihn mehrmals zusammen, dann drückte sie den Stoff
auf die Wunde. »Wir müssen die Blutung stoppen«, sagte sie.
    »Es scheint schon weniger stark zu
bluten«, räumte Percy ein.
    »Ging die Kugel durch?«
    »Ich weiß es nicht. Tut wenigstens
teuflisch weh, aber ich habe keine Ahnung, ob es mehr schmerzen soll, wenn die
Kugel im Muskel stecken bleibt oder wieder austritt.«
    »Beides ist überaus schmerzhaft,
kann ich mir vorstellen«, erwiderte Caroline, während sie vorsichtig den
gefalteten Kissenbezug anhob und die Wunde prüfend betrachtete. Sie drehte
Percy sachte um und besah sich seinen Rücken. »Ich glaube, die Kugel ist hinten
wieder ausgetreten. Du hast auch hinten ein Loch in deiner Schulter.«
    »Darauf hätte man sich verlassen
können, dass du mich doppelt verletzt.«
    »Du hast mich unter dem Vorwand in
dein Zimmer gelockt, einen Tee gegen deinen Schnupfen zu brauchen«, fuhr sie
ihn an, »und dann hast du versucht, mir Gewalt anzutun! Was hast du erwartet?«
    »Warum zum Teufel hattest du eine
Pistole dabei?«
    »Ich trage immer eine Pistole bei
mir, und das seit ... nun, das tut nichts zur Sache.«
    »Ich hätte ohnehin nicht Ernst
gemacht«, sagte er kleinlaut.
    »Und woher hätte ich das wissen
sollen?«
    »Nun, du weißt doch, dass ich dich
nie gemocht habe.«
    Caroline drückte die behelfsmäßige
Bandage mit vielleicht ein bisschen mehr Kraft als notwendig wieder auf Percys
blutige Schulter. »Was ich dagegen weiß«, schleuderte sie ihm entgegen, »ist,
dass ihr beide, du und dein Vater, mein Erbe immer schon sehr gemocht habt.«
    »Meine Abneigung dir gegenüber ist
jedenfalls stärker als meine Zuneigung zu deiner Erbschaft«, murrte Percy. »Du
bist viel zu herrschsüchtig, dabei noch nicht einmal hübsch, und deine Zunge
ist schärfer als ein Rasiermesser.«
    Caroline presste erbittert die
Lippen zusammen. Wenn sie tatsächlich eine Neigung zu scharfen Bemerkungen
hatte, war das nicht ihr Fehler. Sie hatte früh begriffen, dass ihr Verstand
ihre einzige Waffe war in der täglichen Auseinandersetzung mit der langen
Reihe schrecklicher Vormünder, die man sie seit dem Ableben ihres Vaters, als
sie zehn war, zu erdulden gezwungen hatte. Zuerst war da George Liggett
gewesen, ein Vetter ihres Vaters. Er war eigentlich nicht so schlimm gewesen,
aber er hatte ganz gewiss nicht gewusst, was er mit einem kleinen Mädchen
anfangen sollte. Also hatte er sie angelächelt – das einzige Mal – und ihr
gesagt, dass er froh war, sie kennen zu lernen. Er hatte sie mit einem
Kindermädchen und einer Gouvernante in ein Haus auf dem Land abgeschoben und
sich von da an nach Kräften bemüht, ihre Existenz zu vergessen und ihr
keinerlei Beachtung zu schenken.
    Doch dann war George gestorben, und
die Vormundschaft für sie war auf seinen Vetter übergegangen, der
überhaupt nicht mehr mit ihr verwandt war. Niles Wickenham war ein bösartiger
alter Geizhals, der ein Mündel als einen billigen Ersatz für ein Dienstmädchen
betrachtete und ihr sofort eine Liste mit Aufgaben ausgehändigt hatte, die
länger gewesen war als ihr Arm. Caroline hatte gekocht, geputzt, gebügelt,
Böden geschrubbt, gewischt und gebohnert. Das Einzige, was sie nicht getan
hatte, war schlafen.
    Wie auch immer, Niles hatte sich
eines Tages an einem Hühnerknochen verschluckt, war dunkelrot angelaufen und
erstickt. Die Gerichte waren ein wenig ratlos, was sie mit der fünfzehnjährigen
Caroline anfangen sollten, die von zu vornehmer Herkunft war, um in ein
Waisenhaus gesteckt zu werden, weshalb sie die Vormundschaft Archibald

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