Julia Quinn
Chatteris sich den Knöchel
verstaucht hat, und ich fühle mich verpflichtet, nach ihm zu schauen.«
»Wie kann das denn deine Schuld
gewesen sein?«, fragte Iris. Honoria hätte sich beinahe auf die Lippe
gebissen. Sie hatte vergessen, dass dies zu den Dingen gehörte, die sie in
ihrer Geschichte ausgelassen hatte. »Ach, es war weiter nichts«, improvisierte
sie. »Ich bin über eine Wurzel gestolpert, er wollte mich stützen. Dabei ist er
wohl in ein Maulwurfsloch getreten.«
»Ich hasse Maulwürfe«, erklärte Iris.
»Ach, ich finde sie ziemlich süß«, warf Cecily
ein.
»Ich muss deine Mutter suchen gehen«, sagte Honoria. »Ich
brauche eine Kutsche. Vielleicht könnte ich auch hinreiten. Jetzt regnet es ja
nicht mehr.«
»Erst einmal solltest du frühstücken«,
mahnte Sarah.
»Sie lässt dich da auf keinen Fall allein hinfahren«, sagte
Cecily. »Fensmore ist ein Junggesellenhaushalt.«
»Er wird kaum allein da wohnen«, wandte Iris ein. »Bestimmt
hat er jede Menge Dienstboten.«
»Mindestens hundert, würde ich meinen«, sagte Cecily. »Kennst
du das Haus? Es ist riesig. Aber das spielt keine Rolle.« Sie wandte sich
wieder an Honoria. »Er lebt trotzdem allein. Es gibt dort niemanden, der als
Anstandsdame fungieren könnte.«
»Ich nehme jemanden mit«, sagte Honoria ungeduldig. »Mir ist
das wirklich gleichgültig. Ich will jetzt einfach los.«
»Wohin wollen Sie jemanden mitnehmen?«, erkundigte sich Mrs
Royle, die soeben das Frühstückszimmer betrat.
Honoria trug der Dame des Hauses ihre Bitte vor, und Mrs Royle
stimmte sofort zu. »Aber selbstverständlich müssen wir nachsehen, wie es dem
Earl geht. Es nicht zu tun, wäre ja geradezu unchristlich!«
Honoria blinzelte. Sie hatte nicht erwartet, dass es so einfach
werden würde.
»Ich komme mit«, erklärte Mrs Royle.
Eine Teetasse klirrte auf die Untertasse. Als Honoria über den
Tisch blickte, sah sie, dass Cecily angespannt lächelte, die Finger praktisch
um die Teetasse gekrallt.
»Mutter«, sagte sie, »wenn du gehst, sollte ich vermutlich
mitkommen.«
Mrs Royle überlegte kurz, doch bevor sie etwas sagen konnte,
verkündete Sarah: »Wenn Cecily geht, sollte ich wohl auch mitfahren.«
»Warum?«, fragte Cecily.
»Ich bin mir hingegen ziemlich sicher«, bemerkte Iris
trocken, »dass ich unter keinen Umständen hinfahren sollte.«
»Mir ist wirklich egal, wer mich begleitet«, sagte Honoria
und versuchte dabei nicht ganz so schnippisch zu klingen, wie sie sich fühlte.
»Ich möchte einfach nur so schnell wie möglich aufbrechen.«
»Cecily wird Sie begleiten«, entschied Mrs Royle. »Ich bleibe
hier bei Iris und Sarah.«
Sarah war sichtlich verärgert, erhob aber
keine Einwände. Cecily sprang bereitwillig auf; sie strahlte über das ganze Gesicht.
»Cecily, geh nach oben und lass dir von Peggy das Haar frisieren«,
ordnete Mrs Royle an. »Wir können nicht ...«
»Bitte«, unterbrach Honoria. »Ich möchte wirklich lieber
sofort aufbrechen.«
Mrs Royle schien hin- und hergerissen. Doch nicht einmal sie
brachte es fertig zu behaupten, die Frisur ihrer Tochter sei wichtiger als das
Wohlergehen des Earl of Chatteris. »Also schön«, sagte sie energisch. »Ab
mit euch beiden. Aber ich möchte eines klarstellen: Wenn er wirklich schwer
krank ist, müsst ihr darauf bestehen, ihn zur Genesung hierher zu
bringen.«
Honoria war sich ziemlich sicher, dass das nicht geschehen würde,
doch sie sagte nichts. Sie ging zur Eingangstür, dicht gefolgt von Cecily und
ihrer Mutter.
»Und lasst ihn wissen, dass wir erst in einigen Wochen nach
Cambridge zurückkehren wollen«, fuhr Mrs Royle fort.
»Wollen wir das?«, fragte Cecily.
»Aber ja. Und da du keinerlei Verpflichtungen
hast, kannst du jeden Tag hinüberfahren und die Krankenpflege beaufsichtigen.«
Mrs Royle hielt inne. »Ähm, falls Lord Chatteris das möchte.«
»Natürlich, Mutter«, sagte Cecily, doch sie wirkte verlegen.
»Und richtet ihm schöne Grüße von mir aus«, fuhr Mrs Royle fort.
Honoria lief die Eingangstreppe hinunter, um unten darauf zu
warten, dass die Kutsche vorfuhr.
»Und sagt ihm, dass Mr Royle und ich für seine rasche Genesung
beten.«
»Vielleicht
ist er ja gar nicht krank, Mutter«, sagte Cecily. Mrs Royle warf ihr einen
finsteren Blick zu. »Aber wenn doch ...«
»Dann
richte ich deine guten Wünsche aus.«
»Die Kutsche ist da«, rief Honoria, die es gar nicht erwarten
konnte, dem Geschwätz zu entkommen.
»Denkt daran! «, rief Mrs Royle
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