Julia Quinn
...
»Verdammt noch mal!«
Etwas wirbelte durch die Luft, ein dumpfer
Schlag war zu hören und dann ein Stöhnen, gefolgt von einer weiteren Reihe von
Flüchen, die Honoria klugerweise überhörte. Erschrocken stemmte sie sich auf
die Ellbogen. Marcus lag auf dem Boden, und diesmal hatte er sich, seiner Miene
nach zu urteilen, wirklich verletzt.
»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte sie panisch, obwohl sie
deutlich erkennen konnte, dass dem nicht so war.
»Es war das Loch«, stieß er hervor, die Zähne vor Schmerz
zusammengebissen. Und als bedürfte dies weiterer Erläuterung, fügte er hinzu:
»Schon wieder.«
»Es tut mir leid«, sagte sie schnell und rappelte sich auf
die Füße. Und weil die Lage ganz offensichtlich eine etwas gehaltvollere
Entschuldigung erforderlich machte, wiederholte sie es noch einmal. »Es tut mir
sehr, sehr leid.«
Er antwortete nicht.
»Du musst doch wissen, dass es nicht in meiner Absicht gelegen
hat ...« Sie beendete den Satz nicht. Sinnloses Geschwätz würde ihr auch
nicht weiterhelfen; sie hatte sogar den Eindruck, als wollte er ihre Stimme
momentan überhaupt nicht hören.
Sie schluckte nervös und tat zaghaft einen Schritt in seine
Richtung. Er lag immer noch am Boden, nicht ganz auf dem Rücken und nicht ganz
auf der Seite. An seinen Stiefeln und seiner Hose klebte Erde. Und an seinem
Gehrock.
Honoria verzog das Gesicht. Das würde ihm nicht gefallen. Marcus
war zwar nie allzu penibel gewesen, aber es war ein sehr schöner Gehrock.
»Marcus«, sagte sie vorsichtig.
Er sah sich finster um. Der Blick war nicht direkt auf sie gerichtet,
aber er bestärkte sie doch darin, die Blätter in seinem Haar jetzt lieber nicht
zu erwähnen.
Er rollte sich etwas herum, bis er ganz auf dem Rücken lag, und
schloss die Augen.
Sie öffnete die Lippen, hätte beinahe etwas gesagt, doch dann
wartete sie doch lieber ab. Er holte tief Luft, einmal, zweimal und ein drittes
Mal, und als er die Augen öffnete, hatte sich seine Miene verändert. Er wirkte
jetzt ruhiger.
Gott sei Dank.
Honoria beugte sich ein wenig vor. Sie hielt es zwar immer noch
für angebracht, sich vorzusehen, wagte aber doch die Frage: »Kann ich dir
helfen?«
»Gleich«, knurrte er. Er richtete sich auf, bis er beinahe
aufrecht saß, umfasste seinen Unterschenkel und hob das verletzte Bein aus dem
Loch.
Das, wie Honoria sah, sehr viel größer geworden war, seit er
zweimal hineingeraten war.
Sie sah zu, wie er seinen Knöchel vorsichtig drehte. Er bewegte
den Fuß auf und ab und von links nach rechts. Letzteres schien ihm die größten
Schmerzen zu machen.
»Glaubst du, dass er gebrochen ist?«,
fragte sie.
»Nein.«
»Verstaucht?«
Er brummte bejahend.
»Meinst du ...«
Er durchbohrte sie mit einem derart wilden Blick, dass sie sofort
den Mund schloss. Doch nachdem sie ein paar Augenblicke mit angesehen hatte,
wie er sich quälte, konnte sie nicht länger an sich halten. »Marcus?«
Er hatte ihr das Gesicht nicht zugewandt, als sie seinen Namen
aussprach, und er drehte sich auch nicht zu ihr um. Doch er hörte auf, sich zu
bewegen.
»Meinst du nicht, dass du den Stiefel
ausziehen solltest?«
Er schwieg.
»Falls dein Knöchel geschwollen ist.«
»Ich weiß ...« Er hielt inne, atmete tief durch, fuhr
dann beherrschter fort: »Ich weiß, warum ich es tun sollte. Ich habe nur
nachgedacht.«
Sie nickte, obwohl er ihr immer noch den Rücken zukehrte.
»Natürlich. Sag mir einfach, ähm ...«
Wieder hielt er in seinen Bewegungen inne.
Darauf trat sie hastig einen Schritt zurück.
Er streckte die Hand aus und berührte den Stiefel über dem
verletzten Knöchel, vermutlich um die Schwellung zu prüfen. Honoria lief um ihn
herum, um sein Gesicht zu sehen. Sie versuchte, das Ausmaß seiner Schmerzen an
seiner Miene abzulesen, doch das war schwierig. Sein mühsam unterdrückter Zorn
überdeckte alle anderen Regungen.
In der Hinsicht waren Männer wirklich albern.
Sie wusste, dass sie schuld war an seiner Verletzung, und sie verstand auch,
dass er ein wenig zornig auf sie war, aber es war doch offensichtlich, dass er
ihre Hilfe brauchte. Er sah nicht so aus, als käme er von selbst wieder auf die
Beine, geschweige denn zurück nach Fensmore. Wenn er vernünftig nachdächte,
wäre ihm das alles bewusst, und er ließe sich von ihr helfen. Aber nein, er musste
herumtoben wie ein verwundeter Tiger, als bekäme er dadurch das Gefühl, die
Lage im Griff zu haben.
»Ähm ...« Sie räusperte sich. »Nur damit ich
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