Julia Saison Band 11
nach der Geburt selbstständig zu atmen.
Im Moment schien es ihr, als würde das noch ewig dauern. Und bei ihrer derzeitigen Gemütsverfassung half es wenig, dass Blake ständig sorgenvoll in ihre Richtung blickte.
Denn Blake wusste genau, wie ihr zumute war. Wenn er an ihrer Stelle wäre, würde es ihm auch nicht passen, ständig unter – wenn auch liebevoller – Aufsicht zu stehen. „Irgendwie hast du ja recht.“
Wendy lächelte erleichtert, weil Blake offensichtlich nicht beleidigt war.
„Natürlich habe ich recht.“
Blake war in Gedanken bereits bei einem anderen Projekt, das er schon seit einer ganzen Weile im Sinn hatte. Jetzt schien ihm die Zeit reif, es in Angriff zu nehmen.
„Seit wir praktisch lebendig im Flughafen begraben waren, liegt mir tatsächlich etwas auf der Seele“, gestand er ihr.
„Du kannst in solchen Zeiten ans Geschäft denken?“, fragte sie ihn ungläubig. „Meine Güte, Blake, du bist Dad ja noch ähnlicher, als ich dachte.“
Nein, da lag sie mit Sicherheit falsch. Für seinen Vater gab es nichts Wichtigeres als seine Geschäfte, und da er von seinen Kindern das Gleiche erwartete, konnte keines von ihnen je seinen Ansprüchen gerecht werden. In Blakes Augen hätte nur ein Roboter das vermocht.
„Es ist eigentlich nichts Geschäftliches“, erklärte er. Er rückte seinen Stuhl noch näher an ihr Bett heran und senkte vertraulich die Stimme. „Als nicht sicher war, ob wir jemals lebend da herauskommen, schwor ich mir, dass ich mein Leben nicht länger mit angezogener Handbremse leben möchte, falls wir alles heil überstehen sollten – und in Angriff nehmen möchte, was ich schon vor Jahren hätte tun sollen.“
Interessiert rutschte Wendy ein wenig höher in ihren Kissen. „Erzähl weiter“, ermutigte sie ihn neugierig.
„Ich schwor mir: Falls ich überleben sollte, würde ich mich von Neuem um die Frau bemühen, die ich vor langer Zeit aus den Augen verlor.“ Er machte eine dramatische Pause und gab dann den Namen der Frau preis. „Brittany Everett.“
„Ich habe es mir anders überlegt“, erwiderte Wendy wie aus der Pistole geschossen. „Erzähl nicht weiter.“ Sie stieß enttäuscht den Atem aus. Sie hatte ernsthaft gehofft, die sagenumwobene Brittany Everett würde in Blakes Leben der Vergangenheit angehören. Insgeheim hatte sie sogar gehofft, dass ihrem Bruder, wenn er sich eines Tages wieder ernsthaft dem anderen Geschlecht zuwenden würde, Bilder von Katie Wallace in den Sinn kämen.
Anscheinend wusste jeder außer Blake, dass Brittany Everett nur ein verwöhntes Töchterchen war, das dem Begriff „Südstaatenschönheit“ einen unangenehmen Beigeschmack gab.
Wendy ließ sich zurück in ihre Kissen sinken und bemühte sich, keine allzu verdrießliche Miene zu machen.
„Was findest du bloß an ihr?“, fragte sie frustriert. Noch ehe Blake antworten konnte, hob sie abwehrend die Hand. Sie war absolut nicht in der Stimmung, Lobeshymnen auf eine Frau zu hören, die ihr schon immer unsympathisch gewesen war. „Abgesehen von ihren offensichtlichen Vorzügen, meine ich – nämlich dass sie nach vorn überkippen könnte, wenn sie sich zu schnell umdreht.“ Die besagte junge Dame hatte ein hübsches Gesicht, einen großen Busen – und einen völlig hohlen Kopf, ganz abgesehen davon, dass sie überhaupt kein Herz besaß.
Wendy ist schwanger, und ihre Hormone spielen zweifellos verrückt, dachte Blake und erwiderte daher, ohne auf ihre letzte Bemerkung näher einzugehen: „Du kennst Brittany nicht.“
Falsch, dachte Wendy. „Doch, Blake, ich kenne sie sehr wohl“, korrigierte sie ihn und fuhr entschlossen fort: „Sie ist nicht gut genug für dich, Blake.“
Er lachte. In ihrer Jugend war Wendy sehr besitzergreifend gewesen und eifersüchtig auf jeden Augenblick, den er mit jemand anderem als ihr verbrachte. Anscheinend steckte in ihr noch immer ein klein wenig von diesem jungen Mädchen, auch wenn sie heute eine verheiratete Frau war.
„Das würdest du über jede Frau sagen.“
Sie dachte an Katie, die so außerordentlich liebenswert war. Katies Familie lebte in Atlanta praktisch nebenan, und sie waren alle zusammen aufgewachsen. Katie war nett, hübsch und clever und kein bisschen egoistisch.
Brittany dagegen war überzeugt davon, dass sie der Mittelpunkt der ganzen Welt war und sich alles nur um sie drehte.
Gut, es war lange her, seit Brittany und Blake während seines Abschlussjahres am College ein Pärchen gewesen waren, doch
Weitere Kostenlose Bücher