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Julia Saison Band 13 (German Edition)

Julia Saison Band 13 (German Edition)

Titel: Julia Saison Band 13 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Marsh , Teresa Hill , Myrna Mackenzie
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die Stirn. Sie faltete das Papier auseinander und las die Seite in einer Geschwindigkeit herunter, der er nie hätte folgen können. Lesen war nicht seine Stärke, ebenso wenig wie Buchstabieren, Schreiben und Uhrzeiten erkennen.
    Sie zog verwirrt die Augenbraue hoch. „Was ist das?“
    „Erinnerst du dich an unsere Buchbesprechung von Stolz und Vorurteil in der zehnten Klasse in Englischer Literatur?“
    „Ja.“
    „Das hier ist meine.“
    Sie konzentrierte sich wieder auf das Papier, und in ihren dunklen Augen, in die er sich so gerne hineinversenkt hätte, standen tausend Fragen.
    „Aber …“
    „Es ist ein völliges Chaos, ich weiß.“
    Er nahm ihr das Papier aus der Hand und starrte auf das Dokument – sein Schlüsselerlebnis, das ihn dahin gebracht hatte, wo er heute stand. Die fettgedruckte „6“ in der oberen rechten Ecke hatte ihm praktisch jede Möglichkeit zu einem Schulabschluss verbaut – und letzten Endes sein Leben verändert.
    Er fuhr mit dem Zeigefinger über die Seite. Den Inhalt konnte er fast wortwörtlich wiedergeben. „Das ‚b‘ und das ‚d‘ sind gespiegelt. Einfache Wörter werden verwechselt oder buchstabiert, wie sie klingen. Sieht nicht schön aus, nicht wahr?“
    Sie fing an zu begreifen. „Die Listen, deine Notizen, die Software, die du mir nicht zeigen wolltest, die merkwürdige Stenografie auf deinem Schreibtisch – und das hier.“ Sie wedelte mit dem Papier. „Du bist Legastheniker.“
    Er nickte, faltete das Papier und warf es auf den Tisch.
    „Wie dieses Meisterwerk es anschaulich dokumentiert. Die Diagnose kam allerdings viel zu spät, weil ich zu dem Zeitpunkt schon fast überall durchgefallen war.“
    Sie legte eine Hand auf seinen Arm, rückte näher, und der leichte Duft ihres Vanilleparfums hüllte ihn auf angenehme Weise ein. „Ich weiß nicht, was du deswegen in der Schule durchgemacht hast. Aber bedenke, wie weit du es beruflich gebracht hast. Du bist an der Spitze, und das ist großartig.“
    Er suchte in ihrem Gesicht nach Anzeichen von Mitleid, las darin aber nur echte Bewunderung.
    „Danke. Es ist merkwürdig. Ich kann zwar nicht gut buchstabieren, lesen oder schreiben, bin aber höchst intuitiv und einfühlsam, denke in Bildern statt in Worten, besitze eine lebendige Vorstellungskraft, eine multidimensionale Auffassungsgabe und nutze mein Hirn dazu, Wahrnehmungen zu erzeugen und zu verwandeln.“
    Er lächelte schief und legte seine Hand auf ihre. „Wie war meine Diagnose?“
    Ihr Griff wurde fester. „Wann wurde es festgestellt?“
    „Nachdem ich die Schule verlassen hatte. Ich war gerade dabei, zu Hause auszumisten, als unser Nachbar vorbeikam. Er sah das Papier und fragte nach meinen Schulleistungen. Sein Neffe war auch Legastheniker.“
    „Und die Lehrer haben das nie bemerkt?“
    „Sie dachten, ich sei ein Versager, so wie meine Kumpels. Aber dank dieses Nachbarn erkannte ich mein Problem, fragte Experten um Rat und lernte damit umzugehen. Ich machte mein Highschool-Diplom und ließ die Vergangenheit hinter mir.“
    „Das ist fantastisch. Du kannst stolz auf dich sein.“
    „Das bin ich auch, aber nicht auf mein Verhalten dir gegenüber.“
    Sie zog ihre Augenbrauen hoch. „Mir gegenüber?“
    Er nickte und fasste ihre Hände. „Weißt du noch, Tonys Party? Als ich mich am Ende wie ein Idiot benommen habe?“
    „Ja.“
    „Es war deswegen.“
    Er machte eine Kopfbewegung hin zu dem Papier. „Ich wusste während der gesamten Schulzeit, dass etwas mit mir nicht stimmte. Ich habe nicht wie die anderen Kinder gelernt und mich dumm gefühlt.“
    An Eves Augenbraue entstand ein Fältchen. Er musste an sich halten, sich nicht vorzulehnen und es mit seinen Lippen wegzuküssen.
    „Wir kamen uns an diesem Abend näher. Warum bist du davongelaufen?“
    Er drückte ihre Hände, ließ sie los und fuhr sich nervös durch das Haar. „Bis zu dem Abend ging es mir gut – ich war ein Angeber, der lieber coole Sprüche riss, als sich auf den Hosenboden zu setzen.“
    Er zuckte die Achseln. Er fand keine Worte, um seine Gefühle wiederzugeben, und fürchtete, sich zum Narren zu machen. „Der Abend, an dem es ‚Klick‘ gemacht hat? Wir hatten einander seit ein paar Jahren nicht gesehen. Ich fand dich schon immer hübsch, aber unnahbar, und als ich auf dich zukam und dich neckte, erwartete ich eine Zurückweisung. Doch deine Augen haben gefunkelt. Du hast nicht weggeschaut, und bevor ich es gemerkt habe, haben wir miteinander geredet, wie ich

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