Julia Saison Band 13 (German Edition)
blind? Hatte er Wahnvorstellungen? Oder beides? Sie sah aus wie eine Vogelscheuche, und er machte ihr Komplimente?
Und wenn er es ernst gemeint hatte? Was, wenn ihre alten Unsicherheiten sie um die Liebe ihres Lebens brachten?
Sie öffnete die Augen, überwältigt von der Wucht ihrer Gedanken.
Die Liebe ihres Lebens.
Bryce war die Liebe ihres Lebens.
Oh nein.
Fassungslos sprang sie hoch und rannte zum Haus. Doch als sie den Motor des Aston Martin aufheulen hörte, verlangsamte sie ihren Schritt. Was hatte sie vor? Ihn zurückzuhalten, nachdem sie ihn hinausgeworfen hatte? Nein, sie sollte ihm besser Zeit lassen, sich zu beruhigen und Gedanken zu sortieren, und dann weiter überlegen.
Denn sie hatte keinen Zweifel daran, dass ihr nächstes Gespräch das wichtigste in ihrem Leben sein würde.
14. KAPITEL
Er hatte versagt.
Er, für den das Wort Versagen ein Fremdwort war, hatte mit Eve auf der ganzen Linie versagt.
Und er hasste sich dafür.
Sie hatte sich aufgeführt wie eine Verrückte, als er bei ihr aufgetaucht war, aber auch er hatte überreagiert – davonzurennen wie eine beleidigte Leberwurst …
Er hatte Zeit gehabt nachzudenken und wusste nun, was zu tun war. Im Geschäftlichen hatte er bislang nie versagt. Ganz sicher würde er sich jetzt nicht zurücklehnen und sein Privatleben in den Sand setzen, bevor es überhaupt begonnen hatte.
Eve hatte recht. Die Arbeit kam bei ihm an erster Stelle, so war es immer gewesen. Er hatte sich nie gefragt warum, weil er nie einen Grund dazu hatte. Bis jetzt. Sich zu verlieben und Gefahr zu laufen, diese Liebe möglicherweise zu verlieren, ließ ihn ernsthaft in sich gehen. Und sosehr es ihn auch schmerzte, würde er sich mit einigen unbequemen Wahrheiten konfrontieren müssen.
Er hatte endlich begriffen, warum Arbeit alles für ihn war, warum sein Wille zum Erfolg stärker war als seine natürlichen, menschlichen Regungen.
Wenn sie jemals eine Chance haben sollten, musste er Eve alles erzählen.
Und jetzt auch noch das!
Als er die Hot-Pursuit-Kampagne an Land gezogen hatte, war ihm nicht bewusst gewesen, dass er den Großteil des kommenden Jahres in Sydney verbringen würde.
Er konnte sich diese Chance, für die er alles gegeben hatte, nicht entgehen lassen. Aber wenn er und Eve noch nicht einmal eine vorgetäuschte Beziehung in derselben Stadt anfangen konnten, wie konnte er sie dann davon überzeugen, eine Fernbeziehung zu führen?
Während seines Fluges nach Sydney hatte er reichlich Zeit gehabt nachzudenken …
Nach seiner Rückkehr würden sie die Unterhaltung führen, die er gestern vermasselt hatte.
Und dieses Mal würde er bedingungslose Ehrlichkeit von beiden Seiten verlangen.
Er war nach Sydney gegangen.
Einfach so.
Und hatte sie verletzt und mit gebrochenem Herzen zurückgelassen.
Sie konnte sich nicht auf ihre Arbeit konzentrieren, konnte ihren Freunden nicht in die Augen schauen und hatte noch nicht einmal Lust, ihre Küche zu betreten – ein untrügliches Zeichen dafür, dass es ihr sehr schlecht ging.
Es gab nur eine Möglichkeit: Sie musste sich in die Höhle des Löwen wagen. Glücklicherweise hatte ein merkwürdiger Kollege namens Davin sie in Bryces Büro gelassen, damit sie ihm eine Nachricht hinterlassen konnte.
Sie sank in seinen Schreibtischstuhl und langte nach einem Stift. Ihr Plan war, Bryce eine Nachricht zu hinterlassen und ihn damit zu zwingen, sie anzurufen – was nach ihrem gestrigen Auftritt im Garten eher unwahrscheinlich war.
Unter einem Papierstapel fand sie einen Notizblock. Sie suchte nach den richtigen Worten und ging im Geiste verschiedene Versionen dessen durch, was sie sagen wollte, um am Ende alles wieder zu verwerfen.
„Ach nein, zu gestelzt“, murmelte sie. Es fiel ihr schwer, Worte zu finden, die weder pathetisch noch verzweifelt oder wie eine rührselige Mischung aus beidem klangen.
Dabei fiel ihr Blick auf den Notizblock, und sie überflog abwesend die darauf gekritzelten scheinbar sinnlosen Schnörkel.
Dann sah Eve genauer hin, fasziniert von der präzisen Auflistung von Uhrzeiten in der linken Spalte und einem Durcheinander auf der rechten Seite, das einer Art Stenografie glich.
Wahrscheinlich eine dieser bizarren Werbesprachen, dachte sie, blätterte die oberste Seite um und begann mit den Worten „Lieber Bryce …“
Als die Worte sich zu formieren begannen, wurde ihr eines klar. Sie musste sich bei ihm entschuldigen und war ihm zugleich eine Erklärung schuldig – und sollte er
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