Julia Saison Band 17
„Den Moment, in dem sich die Puzzleteile wie von selbst ineinanderfügen und alles passt.“
„Ein unglaublich gutes Gefühl“, sagte Georgia vorsichtig. Ihre Kehle war wie ausgetrocknet. Meinte Alex seine Verlobung mit Lara?
„Wenn man es einmal erlebt hat und dann verliert, ist es … unerträglich. Schlimmer, als wenn man es nie gekannt hätte.“
Ja, folgerte sie niedergeschlagen. Es ging um seine Beziehung zu Lara. „Aber wenn man es einmal erlebt hat, weiß man wenigstens, wonach man suchen soll“, murmelte sie. „Dann ist einem klar, wie hoch die Messlatte liegt.“
„Stimmt.“
Die Messlatte, die bei ihm derart hoch lag, dass sie sie nicht erreichen konnte. So wie die meisten Männer beim Versuch scheitern würden, ihre Messlatte zu erreichen.
Hilfe suchend blickte der Moderator zur Redakteurin hinüber. Fesselndes Radio klang anders als das, was gerade hier ablief.
„Was, wenn du Angst hast, dieses Gefühl nie mehr zu finden?“, fragte Alex eindringlich.
Er klang vertraut und ein wenig atemlos. Als würde er sie mit seiner Stimme streicheln, wie er es auf der breiten Liege in Göreme mit seinen Händen getan hatte. Obwohl Alex von seiner Ex-verlobten sprach, traf sein Schmerz Georgia ins Mark. Sie liebte diesen Mann und wollte nicht, dass er so litt, wie sie es tat. Mit geschlossenen Augen drückte sie den Kopfhörer enger an ihre Ohren, als könnte sie das Gespräch dadurch privat halten. „Wenn du es einmal gefunden hast, weißt du, dass es auch ein zweites Mal gelingen kann“, flüsterte sie.
„Glaubst du das wirklich?“
„Das muss ich, sonst würde ich verrückt werden. Weil ich mich ständig fragen würde, ob ich das Beste aufgegeben habe, was mir je im Leben passiert ist.“
„Und jetzt ist er nicht mehr auf dem Markt“, warf der Moderator ein.
Georgia riss die Augen auf. Ihr Magen krampfte sich zusammen. Alex war in festen Händen? „Was?“, stieß sie hervor.
„Ihr Ex. Er ist doch wieder vergeben.“
Sie schwankte zwischen Erleichterung und Wut. Um Dan ging es also, nicht um Alex.
Am Mischpult fluchte die Redakteurin vor sich hin. Der Moderator wurde erst knallrot und gleich darauf blass, als ihm aufging, dass er soeben Dan erwähnt und damit die Anweisung seines Chefs missachtet hatte. An seiner Reaktion konnte Georgia ablesen, dass Alex seinen Leuten tatsächlich heftig gedroht haben musste.
Niemand sprach – eine Todsünde im Radio. „Ich mag Dan immer noch sehr“, brach Georgia das Schweigen. „Aber ihn habe ich eben nicht gemeint.“
„Willst du mich nicht fragen, wo ich diese Offenbarung hatte?“, fragte Alex.
Der Moderator signalisierte der Redakteurin, dass sie den Anruf abschalten sollte. Prompt streckte sie eine Hand zum Mischpult aus.
„Nein!“, rief Georgia.
Die Redakteurin hielt inne.
„Nein?“, wiederholte Alex mit einem amüsierten Unterton.
„Nicht du, Alek . Erzähl. Wo?“ Die drei Millionen Hörer waren Georgia egal. Sie fühlte sich allein mit Alex, im Dunkeln.
„Es gibt eine Kleinstadt im Norden, dicht an der Grenze zu Schottland. Dort kann man tolle Sonnenuntergänge sehen.“
Georgia hielt die Luft an, während die Moderatorin hilflos beide Handflächen nach oben kehrte.
„In dieser Stadt habe ich eine Frau geküsst“, fuhr Alex fort. „Es hat mein Leben verändert.“
Georgia wich das Blut aus den Wangen. „Ein Kuss kann dein Leben nicht verändern. Nur du selbst kannst das.“
„Ich fange gerade an, das zu begreifen.“
Mit offenen Mündern fixierten das Moderatorenduo und die Redakteurin einen Punkt hinter Georgia. Sie drehte sich um und sah, dass Alex im Nachbarstudio das Licht angeknipst hatte. Jetzt stand er an der Glasscheibe, die beide Studios voneinander trennte. Mit der linken Hand hielt er sich das Handy ans Ohr. Die rechte Hand ruhte locker auf der Scheibe. „Du hast mir das beigebracht“, sagte er.
Georgia starrte ihn an. „Ich?“
„Woche für Woche habe ich erlebt, wie du dich durchkämpfst. Auch wenn die Situation für dich nicht immer angenehm war, bist du zuversichtlich und neugierig geblieben, aufgeschlossen für die Menschen um dich herum. Du hättest nur minimalen Aufwand betreiben müssen, hast aber hundert Prozent gegeben.“
„Weil ich mich wieder aufrappeln wollte.“
„Du warst nicht am Boden, Georgia. Niemals. Im Gegenteil. So, wie du bist, bist du vollkommen.“
„Vollkommen verrückt, meinst du wohl.“ Tränen stiegen ihr in die Augen.
Alex schüttelte den Kopf.
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