Julia Saison Band 17

sich zusammenzuziehen. In zwei Minuten fing die Sendung an. Kein guter Zeitpunkt, um sich aus dem Konzept bringen zu lassen. „Also, bis dann, Alex“, sagte sie, obwohl sie genau wusste, dass sie ihn nicht mehr sehen würde. Nie wieder.
    Sie kehrte in das hell erleuchtete Nachbarstudio zurück und lächelte der Praktikantin zu, die ihr den Tee reichte, während die Redakteurin sie wieder mit Kopfhörer und Mikrofon ausstattete. Durch die getönte Glasscheibe konnte man Alex nur sehr undeutlich erkennen, trotzdem meinte Georgia, jeden seiner Atemzüge zu fühlen. Sie konnte wahrlich zufrieden mit sich sein, weil sie ihn so gut ignorierte, dachte sie ironisch.
    Die Moderatorin und ihr Kollege machten derweil Sprechübungen im Stehen. Georgia vermutete, dass es ihnen mehr um die Show ging als darum, tatsächlich ihre Stimmen aufzuwärmen. Sie schaute zur Praktikantin hinüber, die jetzt neben der Redakteurin am Mischpult saß, und reckte beide Daumen hoch, um sich für den Tee zu bedanken.
    „Noch dreißig Sekunden“, kündigte die Redakteurin über den Studiolautsprecher an. Werbespots erklangen. Die beiden Moderatoren setzten sich und lächelten ihrem Studiogast aufmunternd zu.
    Georgia atmete tief durch und versuchte, nicht mehr an den Mann zu denken, dessen Blick sich in ihren Rücken einzubrennen schien.
    „Sie hören EROS: die beste Musik, rund um die Uhr. Hier sind wir wieder mit dem Valentins-Mädchen, Georgia Stone. Sie hat ein Hammerjahr hinter sich, eine Entdeckungsreise zu sich selbst. Georgia, was war der Höhepunkt Ihres Jahres?“
    Georgia stellte sich vor, dass nur ihre Großmutter ihr zuhören würde, nicht ein Publikum von drei Millionen Londonern. „Es gab da einen Moment, ganz kurz nur, in einem Ballon hoch über Kappadokien. Da hatte ich das Gefühl, alles in meinem Leben würde plötzlich … passen.“
    „Passen?“, wiederholte der Moderator.
    „Ja, wie bei einem Puzzle, wenn sich alle Teile ineinanderfügen. Ich wusste auf einmal, dass ich gefunden hatte, wonach ich immer gesucht hatte.“
    „Was war es denn?“
    Georgia zwang sich, ihren Blick nicht zum Nachbarstudio wandern zu lassen. „Hauptsächlich ich selbst.“
    „Klingt tiefenentspannt.“ Die Moderatorin lachte zweifelnd.
    Radiobeiträge über innere Befindlichkeiten waren gähnend langweilig, das wusste Georgia von Alex. Sie schloss die Augen. „Und die Agentenschule war auch ziemlich cool.“
    Jetzt hatten die Moderatoren ein Stichwort nach ihrem Geschmack. Erleichtert stellten sie eine Frage nach der anderen. Georgia sollte beschreiben, wie es sich anfühlte, eine Pistole abzufeuern, und wie sie es schaffte, in Rekordzeit Codes zu knacken.
    „Stark“ und „Keine Ahnung“ antwortete sie.
    „Wow, eine starke Frau, die mit einer Pistole umgehen kann. Nehmt euch in Acht da draußen“, sagte der Moderator flapsig. Er guckte zur Redakteurin, die hinter dem Mischpult gestikulierte.
    „Jetzt werden wir ein paar Anrufe entgegennehmen“, kündigte der Moderator an und spähte auf den Computerbildschirm. „Lucinda aus Epping, schießen Sie los.“
    Lucinda hatte sich, von Georgias Erfahrungen inspiriert, zu einem Bauchtanzkurs angemeldet und schilderte nun ausgiebig, warum sie die Bewegungen so einmalig fand. Es fiel Georgia leicht, der Anruferin zuzustimmen, weil sie selbst ebenfalls noch zum Bauchtanz ging. Wenn sie sich im Kostüm zur Musik bewegte, konnte sie sich vorstellen, in Göreme zu sein. Zurück bei Alex und dem wundervollen Gefühl, das sie in seinen Armen erlebt hatte.
    Russell aus Orpington beklagte sich über die hohen Ansprüche seiner Freundin und darüber, wie schwer es für einen Durchschnittsmann war, die Erwartungen starker Frauen zu erfüllen.
    „Versuch es einfach, Russell“, ermutigte Georgia ihn. „Keine von uns erwartet Perfektion. Wir wollen nur, dass die Männer sich ehrlich bemühen.“
    „Alex aus Hampstead.“ Unsicher starrte der junge Moderator auf den Computerbildschirm. „Sie hatten eine ähnliche … Offenbarung wie Georgia?“
    „Ich heiße eigentlich Alek“, korrigierte der Anrufer ruhig. „Mit einem K .“
    Georgia erstarrte.
    Der Moderator rollte abfällig mit den Augen. „Ihre Zeit läuft, Alek.“
    Erkannten sie die Stimme wirklich nicht? Georgia blickte vom Moderator zu dessen Kollegin und wieder zurück. Offenbar wussten die beiden nicht, dass ihr Chef in der Leitung war. Georgias Atmung beschleunigte sich.
    „Ich habe genau denselben Moment erlebt“, sagte Alex leise.